Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kopf Unter Wasser

Kopf Unter Wasser

Titel: Kopf Unter Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: André Kubiczek
Vom Netzwerk:
Besuch in der abgewrackten Kurstadt. Hier schmeckte immerhin das Essen besser, und es war Sommer statt Winter.
    Als sich Henry am späten Nachmittag aufs Hotelzimmer begab, um sich für eine Stunde aufs Ohr zu legen, fand er es aufgeräumt und makellos sauber vor. Das Bett war gemacht, der Papierkorb geleert. Auf seinem Kopfkissen lag eine Mitteilung von Bettina, diesmal ohne Illustration: Sie sei endlich dazu gekommen, aufzuräumen, und habe auch dem Zimmermädchen Bescheid gegeben, die Wäsche zu wechseln, Teppich und Bad zu reinigen. Sie sei mit dem Aufbau so gut wie fertig und freue sich, ihm nachher die Installation zeigen zu können. Von nun an werde es besser, würden sie wieder mehr Zeit füreinander haben.
    Henry wachte eine halbe Stunde nach dem Beginn der Vernissage wieder auf. Er erfrischte sich kurz im Bad, dann ließ er sich an der Rezeption ein Taxi rufen.
    Er kam eine Stunde zu spät, die in der Einladung angekündigten Reden waren bereits gehalten worden, die meisten Leute – es waren um die zweihundert – standen mit Weingläsern vor dem Ausstellungsraum herum, der sich als quadratischer Glaspavillon von zehn Meter Kantenlänge herausstellte und in einer kleinen Parkanlage stand. Sein Inneres hatte Bettina in eine Art begehbare Tropfsteinhöhle verwandelt, die man auf einem Parcours durchlaufen konnte. Die gesamte Oberfläche der Höhle hatte die Struktur von grobem Sandpapier, war dabei aber grellgelb und funkelte im Schein eines Kunstlichtes, dessen Quellen nicht sichtbar waren. Das alles sah nach verdammt viel Arbeit aus, und es roch giftig.
    Henry absolvierte den Parcours einmal, dann ließ er sich von einer der herumlaufenden Kellnerinnen ein Bier geben und nahm auf einer Bank Platz, die ein wenig abseits des Geschehens stand. Er sah Bettina, die sich mit einem großen weißhaarigen Mann unterhielt.
    Sie sah gut aus, trug ein enges, knielanges Kleid aus dunkelgrauem, glänzendem Stoff. Er hörte sie lachen. Ein Fotograf schoss Bilder von den beiden, während sie sich unterhielten.
    Die Sonne begann unterzugehen, der Himmel färbte sich rot, die Kellnerinnen rammten Gartenfackeln in den Boden und zündeten sie an. Henry stand auf, um sich noch ein Glas Bier zu besorgen. Auf dem Rückweg stieß er mit Bettina zusammen. Statt sauer zu sein wegen seiner Verspätung, strahlte sie ihn an. Sie umarmten einander, Bettina gab ihm einen Kuss auf die Wange.
    Â»Und? Wie fandest du die Rede?« Sie guckte erwartungsvoll.
    Â»Welche Rede meinst du?«
    Â»Die von Dr. Duttweiler.« Sie zeigte auf den Weißhaarigen, mit dem sie sich gerade unterhalten hatte und der schon in das nächste Gespräch vertieft war.
    Â»Originell«, sagte Henry. Bettina hatte seine Abwesenheit während der Reden also überhaupt nicht bemerkt.
    Â»Ja«, sagte Bettina, »er hat einen ganz speziellen Humor. – Er hat dein Buch gelesen und fand es toll. – Soll ich ihn dir vorstellen?«
    Â»Später vielleicht«, sagte Henry. Sie hatte seine Abwesenheit nicht bemerkt, und der Grund dafür lautete: Ihr war seine An wesenheit egal.
    Â»Wie du willst«, sagte Bettina, und ein erstes Partikelchen ihrer Euphorie verpuffte. Henry konnte es förmlich platzen hören.

10.
    Schwer zu sagen, ob es die Ausstellung war, die den Ausschlag gab oder nicht. Henry selbst hatte Bettinas Installation für sein Blatt lobend besprochen und dabei allen möglichen kunstphilosophischen Firlefanz aufgefahren, um ja nicht den Verdacht aufkommen zu lassen, es handle sich um eine Gefälligkeitsrezension. Im Laufe der folgenden Woche schrieben zwei weitere überregionale Blätter über die Ausstellung und schlossen sich mehr oder weniger Henrys positivem Urteil an. Bettina war tagelang aus dem Häuschen gewesen.
    Drei Wochen jedenfalls nachdem sie aus dem Badischen zurückgekehrt waren, erhielt sie die Zusage für eine Assistentenstelle in Hamburg, auf die sie sich von London aus beworben hatte, eine halbe Stelle im Fachbereich Bildhauerei, die ihr etwas weniger als zweitausend Mark im Monat einbringen würde.
    Wenig Geld, wie Henry sagte, als sie am Abend in der Küche bei einer Flasche Rotwein zusammensaßen. Er überschlug, was allein die Zugtickets kosteten, auch wenn sie nur alle zwei Wochen nach Berlin kam. Oder das Benzin. Er malte aus, was es für eine Anstrengung sei, jedes Mal diesen Weg auf sich zu nehmen, und dass

Weitere Kostenlose Bücher