Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kopf Unter Wasser

Kopf Unter Wasser

Titel: Kopf Unter Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: André Kubiczek
Vom Netzwerk:
hatte, und darüber den Körper zu beherrschen lernen. Warum eigentlich nicht?
    Eine Woche nachdem Bettina ins Badische aufgebrochen war, fuhr Henry mit dem Zug hinterher, um an der Vernissage teilzunehmen.
    Das vom Kunstverein gebuchte Doppelzimmer hatte Bettina innerhalb einer Woche in ein Schlachtfeld verwandelt. Überall lagen Zettel herum, Notizen und Skizzen, Materialproben, Computerkram, CDs, Kabel. Henry fand kaum einen Platz, um den Koffer abzustellen, und Bettina hatte keine Zeit, sich weiter um ihn zu kümmern, geschweige, das Zimmer aufzuräumen.
    Sie sei ziemlich in Verzug und habe ihre Arbeit nur kurz unterbrochen, um ihn vom Bahnhof abzuholen, sagte sie.
    Henry meinte, es sei okay.
    Die Ausstellungseröffnung, zu der die üblichen Verdächtigen aus lokaler Politik und Kultur erwartet wurden, sollte bereits am nächsten Abend stattfinden.
    Wenigstens war das Wetter schön, die Sonne schien, die Temperatur war angenehm warm, weshalb sich Henry im Hotel ein Fahrrad lieh. Er fuhr durch die Gassen der kleinen Stadt, raus auf die Felder, über unbefestigte Wege, durch Weinberge, an Waldrändern entlang. Unterwegs kehrte er in eine Straußwirtschaft ein, trank einen Viertelliter jungen Wein, aß Wurstsalat und Bauernbrot und fuhr den gleichen Weg zurück. Aus dem Hotelzimmer holte er Notebook und Handy und setzte sich damit in ein Gartenlokal. Er bestellte Bier und rief Bettina an, um ihr seinen Aufenthaltsort mitzuteilen. Sie sagte, sie sei in Eile, kenne aber das Lokal und wolle sich bemühen, ihn in zwei bis drei Stunden, so gegen neun, dort zu treffen. Ob ihm das recht sei?
    Henry sagte Ja. Aber es war ihm weder recht noch unrecht, es war ihm schlichtweg egal.
    Als hätte sie dies geahnt, kam Bettina erst um halb elf. Henry merkte, dass er angetrunken war. Er hatte Zwiebelkuchen gegessen und der Verdauung wegen ein paar Obstler gekippt. Dazu ein paar Biere getrunken, schnell hintereinanderweg, aus Langeweile anfangs, dann aus Ärger über Bettinas Verspätung.
    Statt sich zu entschuldigen, fragte Bettina, ob er schon ohne sie gegessen habe, und blätterte in der Speisekarte. Sie sah müde aus, schien aber guter Laune zu sein.
    Allerdings habe er schon ohne sie gegessen, sagte Henry und hätte aus purer Rachsucht gern ein paar verletzende Worte hinterhergeschoben, um die Feierabendzufriedenheit in ihrem Gesicht zu zerstören. Aber er wusste nicht, wo er ansetzen sollte, und sagte deshalb nur, dass um zehn Uhr Küchenschluss gewesen sei.
    Das mache überhaupt nichts, sagte Bettina und zog einen Schokoladenriegel aus der Tasche, während sie nach der Bedienung Ausschau hielt, um sich einen Viertelliter Rotwein zu bestellen.
    Als Henry am nächsten Morgen aufwachte, war Bettina schon gegangen. Auf ihrer Seite des Bettes fand er einen Zettel, auf dem sie ihm einen Guten Morgen wünschte. Sie sei schon im Ausstellungsraum, müsse noch einiges erledigen, aber spätestens zur Eröffnung um neunzehn Uhr würden sie sich sehen. Unter ihren Text hatte sie eine Sonnenblume mit Gesicht gekritzelt.
    Henry zerknüllte den Zettel, warf ihn in den Papierkorb und wühlte ihn anschließend unter den anderen Abfall. Dann duschte er, zog sich an und ging nach unten, wo eine Serviererin gerade die Platten des Frühstücksbüfetts abräumte. Sie sah freundlich aus und hätte ihm sicher Kaffee, Butter, Käse und Brot angerichtet, aber weil er keine Lust hatte, sie darum zu bitten, machte er sich auf den Weg zum Rathausplatz. Er setzte sich in ein Straßencafé, bestellte Espresso und eine Winzerplatte mit schwarzer Blutwurst, geräuchertem Schinken und eingelegten Gurken. Während des Frühstücks las er das Lokalblatt und beobachtete über den Rand der Zeitung hinweg die Leute. Das ging eine Stunde gut, dann begann er sich zu langweilen. Gleichzeitig merkte er, wie der Groll gegen Bettina wieder in ihm wuchs.
    Er ging zurück ins Hotel, holte sein Notebook, lieh sich abermals das Fahrrad und fuhr dieselbe Strecke wie am Vortag. Auf einer Anhöhe setzte er sich am Wegesrand unter einen Baum. Er wollte ein bisschen an seiner Kolumne arbeiten, aber es war zu hell hier draußen, er konnte nichts auf dem Bildschirm erkennen.
    Zurück im Städtchen, kehrte er in ein anderes Gartenlokal ein – es gab hier Dutzende davon – und bestellte einen halben Liter Riesling. Es war kurz nach eins. Das Ganze erinnerte ihn an seinen

Weitere Kostenlose Bücher