Kopfgeldjagd
Langerhans-Zellen. In den folgenden zehn Tagen schlug ich praktisch mein Bettlager in verschiedenen Harvard-Bibliotheken auf. Mein Freund Marco Bodor half mir, eine Reihe medizinischer Wissenslücken zu schließen, und korrigierte zahlreiche Fehlannahmen und falsche Schlussfolgerungen. Lynne brachte mir Sandwiches. Mein Aufsatz beschäftigte sich mit der Erderwärmung, den steigenden Meeresspiegeln und einer deutlich intensivierten Sonneneinstrahlung. Er kam zu der Schlussfolgerung, dass sich der Hautkrebs weitaus schneller verbreiten würde, als die wissenschaftliche Gemeinde derzeit annahm, und dass eine dunklere Hautfarbe ein deutlicher Vorteil sein würde.
Das war 1979. Niemand hatte damals von globaler Klimaerwärmung und steigenden Meeresspiegeln gehört. Ich nannte es »Erderwärmung«. In diesem Aufsatz argumentierte ich, dunkelhäutigere Menschen hätten in den kommenden Jahrhunderten tatsächlich einen weit überlegenen Hauttyp, aber ihre demografische Ansiedlung in semiariden Gebieten, vor allem der Sahelzone und Nordafrika, würde zu lebensbedrohlichen gesellschaftlichen Brüchen und einem Kampf um zunehmend knapper werdende Wasserressourcen führen. Zwar würden mehrere Hundert Millionen hellhäutige Menschen an Hautkrebs erkranken, aber weniger als 200.000 pro Jahr würden an den bösartigsten Ausprägungen sterben (die aktuelle Zahl der hautkrebsbedingten Todesfälle liegt eher bei 100.000). Meine persönliche wirtschaftliche Schlussfolgerung lautete, dass Sonnenschutz ein wichtiges Thema werden würde. Ein Unternehmen, das effektive Sonnenschutzprodukte für die Bevölkerungsgruppe mit den höchsten Krebsrisiken entwickelte (Hauttyp Fitzgerald 1 und 2) würde ein Vermögen verdienen.
Ich hatte in meinem Aufsatz Ausflüge in die Anthropologie, Biologie und in Klimastudien unternommen, aber glücklicherweise war Professor Chaisson multidisziplinär und nannte meinen Forschungsaufsatz »äußerst nachdenklich stimmend«. Er bat mich um die Erlaubnis, ihn seinen Kollegen aus verschiedenen Abteilungen zu zeigen. Ich war sehr geschmeichelt, bestand auch die Abschlussprüfung und durfte in Harvard bleiben.
Clinuvel (das zunächst Epitan hieß) war genau das Unternehmen, in das ich investieren wollte, als ich meinen astrophysischen Aufsatz für Professor Chaisson schrieb. Als ich begann, in das Unternehmen zu investieren, wirkte das natürliche Hormon Melanotan 1 ( Afamelanotid ), das die Produktion des dunkeln Hautpigments Melanin auslöst, sehr vielversprechend. Es hatte keine feststellbaren Nebenwirkungen und die wissenschaftlichen Studien waren sehr ermutigend. Der wissenschaftliche Vorstand, Dr. Hank Agersborg, war eine beeindruckende Persönlichkeit, und seine Erfolgsbilanz bei der Entwicklung neuer Therapieverfahren und ihrer Vermarktung war makellos.
Das Unternehmen war jedoch ein klassisches Fallbeispiel für Managementinkompetenz. Mehr als ein Jahrzehnt nach der Entdeckung dieses Hormons, das die Haut bräunt, wurden keine nennenswerten Fortschritte bei der Zulassung des Präparats oder seiner kommerziellen Nutzung erzielt. Damals konzentrierte sich das Unternehmen auf kosmetische Anwendungen. Epitan hoffte, Melanotan, das hellhäutigen Menschen eine gesunde Bräune verlieh, ohne sich der Sonne aussetzen zu müssen, patentieren zu können. Epitan gab Unmengen von Geld aus und bewegte sich ständig am Rande der Insolvenz.
Die Finanzierung, das Kostenmanagement und die klinische und regulatorische Strategie befanden sich in einem völligen Durcheinander. Die Zulassung von Melanotan durch eine glaubwürdige Regulierungsbehörde würde eine komplette Überarbeitung der Positionierung erfordern und sich von der Heilung von Sonnenbrand auf die Therapierung ernst zu nehmender Hauterkrankungen verlagern müssen. Wir kauften 20 Prozent des Unternehmens und brachten weitere unterstützungsbereite Aktionäre mit. Unser Einfluss war groß genug, um einen kompetenten, starken CEO – Dr. Philippe Wolgen – ins Unternehmen zu holen und den Verwaltungsrat sowie das Topmanagement auszuwechseln. Außerdem beschafften wir 50 Millionen australische Dollars, um missionskritische klinische Studien durchzuführen, und sorgten dafür, dass das Unternehmen über genügend Mittel verfügte, um eine kommerzielle Rentabilität des Produkts zu gewährleisten. Während wir den Turnaround vollzogen und Epitan/Clinuvel intensiv bewarben, zog die Aktie um 600 Prozent an.
Jeder fünfte Amerikaner (60 Millionen) wird in
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