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Kopfgeldjagd

Kopfgeldjagd

Titel: Kopfgeldjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Homm
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ich auf eine derart kranke Theorie antworten? Was brachten sie diesen Kids bei Hillel, dem jüdischen Gesellschaftsklub von Harvard, eigentlich bei?
    Ich wurde 14 Jahre nach Kriegsende geboren. Meine besten Freunde in der Frankfurt International School waren David Gower und Angelo Romain. Meine besten Freunde in Harvard waren Steven Larab und Mike Kagan. Es war mir völlig egal, ob sie Juden oder Außerirdische waren. Sie waren interessante, hellwache Menschen und ich hatte an ihrer Geschichte ein ehrliches Interesse und hatte sogar ihre Familien kennengelernt. Anders als die meisten Deutschen meines Alters hatte ich mich mit dieser dunklen Phase beschäftigt. Zwar war Necko eindeutig ein opportunistisches Nazischwein gewesen, aber Hans, mein verstorbener Großvater mütterlicherseits, hatte als Spion der Alliierten gearbeitet und war ein aktives Mitglied der Opposition gewesen. Ich fühlte mich also nicht vollkommen böse und angesichts meiner entfernten mexikanisch-semitischen Wurzeln genetisch betrachtet auch nicht rein arisch.
    Die Animositäten mir gegenüber ließen dann im Verlauf des Jahres deutlich nach. Gegen Ende des Semesters gab es in meiner Studiengruppe nur noch einen einzigen radikalen, jüdischen religiösen Krieger, der mich in Gruppendiskussionen persönlich angriff. Wir wollen ihn Shalom Weiss nennen.
    Meine Versuche, mich mit Shalom zu versöhnen, schlugen fehl. Er war fest davon überzeugt, dass ich die Wiedergeburt von Ernst Kaltenbrunner war und unaufhörlich beleidigt und bestraft gehörte. Das Florian-Bashing nahm solche Formen an, dass der Dozent, der selber Semit war, eingreifen musste, um Shalom für seine Angriffe, die stets unter die Gürtellinie zielten, zu disziplinieren. »Genug ist genug; dieser Typ wird dafür bezahlen«, versprach ich mir selbst. In der letzten Sitzung des Jahres wandte ich mich an Shalom und verwickelte ihn vor meinen Kommilitonen in ein Gespräch. Einige meiner Klassenkameraden waren in meinen Plan eingeweiht.
    »Mr. Weiss, der Kurs ist fast zu Ende, und nur um Ihnen zu zeigen, wie rassistisch, bösartig und heuchlerisch Sie sind, werde ich Ihnen nun die Augen öffnen und Ihnen zeigen, wie unverdient Ihre brutalen und sehr persönlichen Angriffe gewesen sind. Bis heute habe ich niemandem erzählt, dass mein Großvater mütterlicherseits in einem Konzentrationslager gestorben ist. Sagen Sie mir, Shalom, wie fühlen Sie sich nun?« Er blickte mich mit fassungslosem Erstaunen an. In seinem Gesicht standen das Schuldgefühl und die eigene Dummheit geschrieben. Er starrte auf sein Notizheft und rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her. Nach einigen Sekunden hob er kleinlaut seine Augen und fragte mich, wie mein Großvater gestorben sei. Ich antwortete: »Er fiel von einem Wachturm, du scheinheiliger Heuchler!«
    An diesem Punkt war die Hälfte der Kursteilnehmer mucksmäuschenstill und in einer Art Schockzustand. Die andere Hälfte, zumeist die Juden, die ich vorher eingeweiht hatte, brüllten vor Lachen. Wenn Blicke töten könnten, hätte mich Shalom in Nanosekunden atomisiert. Wenigstens dieses eine Mal verschlug es ihm, der dunkelrot angelaufen war und schwer atmete, völlig die Sprache. Ich erzählte meinen Kommilitonen nie, und erst recht nicht Shalom, dass mein Großvater, meine Großmutter und ihr ungeborenes Kind sowie mein Onkel im Jahr 1948 von amerikanischen Soldaten entweder grob fahrlässig und rücksichtslos getötet oder ganz bewusst ermordet worden waren. Das war zu persönlich und ging sie daher nichts an.
    *
    Mir wurde zunehmend klarer, dass ich mehrere Trittsteine an der richtigen Stelle platzieren musste, damit daraus ein erfolgreicher Pfad in die Finanzwelt wurde, in der ich mich betätigen wollte. Mein Ziel war, von den Besten alle Tricks und Kniffe zu lernen und dann das Spielfeld zu beherrschen. Dafür war unter anderem ein Praktikum wichtig, und so arbeitete ich nach meinem ersten Studienjahr einen Sommer in Südafrika. Meine Eltern hatten dort einige Geldanlagen und kannten den südafrikanischen Politiker Howard Odell. Ich arbeitete im Carlton Centre in Johannesburg für die Nedbank, der damals größten privaten südafrikanischen Bank, und erstellte und interpretierte Statistiken für ihre Wirtschaftsabteilung, die damals die beste des Landes war. Es herrschte noch strikte Apartheid und die Arbeit hatte im Wesentlichen mit Entwicklungsökonomie zu tun – ein Thema, das innerhalb des spezifischen Kontextes interessanter wird. Die

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