Kopfgeldjagd
gesamten südafrikanischen Daten wiesen darauf hin, dass es der schwarzen Bevölkerung Südafrikas weitaus besser ging als den Schwarzen in Botswana und Malawi. Eine detaillierte Analyse mehrerer Homelands oder Bantustans, wie sie im Sprachgebrauch des Apartheidregimes genannt wurden, enthüllte jedoch, dass die Armut, das Analphabetentum und die Gewaltkriminalität möglicherweise schlimmer waren als in anderen Ländern Schwarzafrikas. Ich ging nach Soweto, obwohl das streng verboten war, und sah eine Kriminalität und Gewalt, wie ich sie mir nie hätte vorstellen können. Ciskei, ein weiteres Homeland, war viel ärmer als Sambia, Botswana, Namibia oder sogar Angola.
Als Afroamerikanerin konnte meine Freundin Lynne als »achtbare Weiße« nach Südafrika kommen und alle Privilegien weißer Südafrikaner genießen. Sie konnte sogar in Hotels wohnen, die ausschließlich Weißen vorbehalten waren. Die Abteilung für Wirtschaftsinformationen der Nedbank beschäftigte Weiße und Schwarze. Die Schwarzen waren sehr kompetent und luden mich zu ihnen nach Hause in die Townships ein. Das war nach den südafrikanischen Apartheidgesetzen illegal. Ich nahm in Südafrika an Protestmärschen gegen die Apartheid teil, und Lynne und ich demonstrierten auch mehrmals in den USA, was für einen arischen Kapitalisten, der bei einer großen südafrikanischen Bank arbeitete, sehr ungewöhnlich war. Zu schweigen wäre jedoch heuchlerisch gewesen und hätte gegen meine Überzeugungen verstoßen.
Zu dieser Zeit gründete ich gemeinsam mit Michael Kagan die Investmentpartnerschaft Interinvest. Trotz drastischer Marktkorrekturen ging es Interinvest von 1979 bis 1982 sehr gut. Wir konzentrierten uns ausschließlich auf Übernahmekandidaten und riskante Arbitrage-Situationen. Das generelle Konzept lautete, Netzwerke und Kontakte zum Aufspüren von Unternehmen zu entwickeln, die weitaus mehr wert waren als die Summe ihrer Teile und sich daher höchstwahrscheinlich mit einem saftigen Aufschlag auf unseren Akquisitionspreis weiterverkaufen ließen. Mit dieser Methode erzielten wir in einer Zeit, in der sich der allgemeine Markt negativ entwickelte, solide Renditen. Außerdem begann ich, mir ein herausragendes Wissen anzueignen und ein Kontaktnetz aufzubauen, das mir viele Jahre später große Wettbewerbsvorteile verschaffen sollte. Mein Fokus auf sensible Informationen brachte mich während meiner Entwicklung zum Babymagnaten dabei mehr als einmal in Schwierigkeiten.
Einer der größten Investoren war der Typ aus dem angrenzenden Schlafraum während meines ersten Studienjahrs. Er hieß Carlos, stammte aus einer großen griechischen Reederdynastie und sein Bruder Nicholas heiratete später ein Bond-Girl. Carlos war noch abgedrehter als ich. Ich lernte ihn kennen, als er an meine Tür pochte und mich fragte, ob ich wüsste, wo er Nadeln herbekäme, damit er sich einen Heroinschuss setzen konnte. Zwar hatte ich das Zeug geschnupft und geraucht, aber ich sagte ihm, es zu spritzen sei nicht mein Ding. Wenn er dringend ein paar Nadeln brauchte, sollte er am besten den Gesundheitsdienst der Uni aufsuchen und eine Lebensmittelvergiftung oder irgendeine exotische Infektion vortäuschen, damit ein Bluttest gemacht würde. Und wenn gerade niemand hinsah, könnte er leicht einige Nadeln mitgehen lassen.
Carlos konvertierte zum Islam und wurde ein Vollblut-Mudschahed, arbeitete an der Wall Street und gab Literaturzeitschriften heraus. Er erinnerte mich an meine Schwester. Die beiden hätten ein großartiges, völlig durchgedrehtes Paar abgegeben. Irgendwann hatte er eine Affäre mit der Frau von Bobby Kennedy Jr., die ich ebenfalls kennenlernte. Angeblich starb Carlos in einem heruntergekommenen Hotel in Peschawar an einer Überdosis Heroin. Die Erklärung für seinen Tod war völlig absurd. Carlos liebte und hasste sich zu sehr, um sich umzubringen, sei es durch einen Unfall oder einen absichtlichen goldenen Schuss. Er musste sich stets etwas beweisen, auffallen und andere schockieren. Mit der Zeit wurde er ruhiger und es gab Dinge, auf die er sich freute. Außerdem war er ein ultra-raffinierter »Meisterdrogist«, ein echter Drogenapotheker. In Wahrheit wurde Carlos liquidiert, weil er für die CBS-Nachrichtensendung 60 Minutes einer hochexplosiven Sache nachging und über äußerst gefährliche Leute recherchierte. Er war auf einer sehr heißen Spur und wurde zu einem ernsthaften Risiko. Nichts ist in diesen Ländern leichter, als einen Tod durch
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