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Kopfgeldjagd

Kopfgeldjagd

Titel: Kopfgeldjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Homm
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Vorstellung, armen und benachteiligten Menschen zu helfen, war mir damals völlig fremd. Ich konnte mir nicht vorstellen, soziales Engagement zu heucheln, nur um meinen Lebenslauf aufzupolieren.
    Rein zufällig traf ich eines Nachmittags in Harvard einen Anwerber für das Phyllis Brooks House Prison Counceling Program – ein Gefängnistherapie-Programm. Das klang interessant. Viele der Insassen im Hochsicherheitsgefängnis von Walpole galten als äußerst gewalttätig und einige befanden sich an der Grenze zur Geistesgestörtheit. Nur wenige interessierten sich für diesen Job, und so wurde ich sofort und ohne weitere Fragen angenommen. Endlich konnte ich ein Hochsicherheitsgefängnis von innen sehen, ohne eine schwere Straftat begehen zu müssen. Und ich konnte mit wirklich bösartigen Charakteren umgehen und nicht den beschissenen nordafrikanischen Haschdealern aus Paris, die ständig mit ihren Springmessern herumfuchtelten und sich wichtigtaten.
    Da ich fließend Französisch sprach, wurde ich einem ehemaligen Auftragsmörder und Bankräuber zugewiesen, der für die berüchtigte Mafiafamilie Dubois aus Montreal gearbeitet hatte. Mein neuer Freund war an mehreren Banküberfällen beteiligt gewesen und hatte in Neuengland mehrere Morde begangen. Er war ein Berufskrimineller und Profimörder, der es auf der Höhe seiner Karriere auf die Liste der zehn meistgesuchten Personen der amerikanischen Justizbehörde geschafft hatte.
    Er musste 39 bis 54 Jahre absitzen, und zwar ohne die geringste Chance auf Bewährung. Er saß zum ersten Mal in einem amerikanischen Gefängnis, was zum Teil seine absolute Unkenntnis der englischen Sprache erklärte. Angesichts des Umstands, dass er zu dem Zeitpunkt 45 Jahre alt war, aber wie 65 aussah, war klar, dass er wohl nie wieder den Geschmack der Freiheit kosten würde.
    Der Nachhilfeunterricht war dringend nötig. Laut unserem Verbindungsmann gab es keinen weiteren Frankokanadier im Gefängnis und mein Kumpel Jean Christian (JC) stand unter der ständigen Bedrohung der arischen Bruderschaft, der irischen Mafiosi, der Mitglieder der brutalen salvadorianischen Gang Mara Salvatrucha, der Bloods und anderer kleinerer organisierter lokaler Gangsterbanden. Bisher hatte ihn sein Ruf vor größerer Gewaltanwendung geschützt. Es kursierte das Gerücht, JC habe im Verlauf seiner Karriere mehr als 20 Menschen umgebracht, aber früher oder später würden andere Häftlinge seine beeindruckenden Referenzen in Frage stellen. Seine Lebensleistung würde ihn nicht für immer vor gemeinschaftlicher Vergewaltigung oder anderen brutalen Übergriffen schützen. Ende der Siebzigerjahre gab es unter den Gefängnisinsassen von Walpole mehr als 20 Morde pro Jahr. Bei einer Gesamtzahl von nur 900 Häftlingen betrug die Wahrscheinlichkeit, während einer 39-jährigen Haftstrafe ermordet zu werden, leicht 90 Prozent. Der Umstand, dass sich JC nicht verständigen und somit keine Allianzen bilden konnte, machte ihn noch verwundbarer. So wie die Dinge standen, würde JC in Walpole auf alle Fälle umgebracht werden. Wenn er wenigstens Mindestkenntnisse der englischen Sprache hätte, würde er seine Überlebenschancen deutlich erhöhen können. Er wollte leben und lernte schnell.
    Die Gefängnisbedingungen waren geradezu entsetzlich. Ich sah Ratten, die so groß waren wie kleine Hunde, die Toiletten liefen nach heftigen Regenfällen über und einige der Lebensmitteldosen waren älter als 20 Jahre. Mehrmals mussten Besprechungen abgesagt werden, weil es regelmäßig zu Aufständen unter den Gefangenen kam. Ich schaffte es, JC Grundkenntnisse der englischen Sprache zu vermitteln, obwohl es mir nicht leichtfiel, seinen franko­kanadischen Gangsterdialekt zu verstehen. Die Polizei fing schließlich auch seinen gleichermaßen bösartigen Bruder, der ebenfalls auf der Top-Ten-Liste der meistgesuchten Straftäter stand, sodass diese beiden kriminellen Hochleister nun wieder vereint waren und sich ihre Überlebenschancen deutlich verbessert hatten. JC war intelligent, aber ein durch und durch schlechter Mensch. Er war die Verkörperung des Bösen. Wenn ich diesen Job noch einmal machen könnte, würde ich mit den Opfern arbeiten, und nicht mit den Tätern.
    Lynne lehnte Drogen strikt ab, daher gab ich diese Gewohnheit für eine Weile auf und begann, alle erstaunlichen Chancen in Augenschein zu nehmen, die Harvard bot. Anstatt mit Hasch zu dealen, wurde ich zum Direktor der Harvard Cooperative Society gewählt, einer 100

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