Kopfgeldjagd
Houston. Das war der perfekte Kontrast zu Livonia. Dr. Perry war Star-Kardiologe unter Leitung von Michael DeBakey, dem weltberühmten Chirurgen für Herztransplantation aus Houston. Diese Afrotexaner hatten richtig Geld und zeigten das auch gerne. Ihr Haus hätte in Goldener Palast umgetauft werden können. Das Besteck war vergoldet und im Musikzimmer gab es nicht ein Möbelstück, dass nicht 18-karätiges Gold aufwies. Die Familie war zum römisch-katholischen Glauben konvertiert. Alle Familienmitglieder spielten mindestens ein Musikinstrument. Die rebellischeren von ihnen hatten es gewagt, Saxofon zu lernen. Mit ihren zehn Kindern hatten die Eltern ihr eigenes kleines Symphonieorchester. Anstatt Basketball oder Football zu spielen oder Leichtathletik zu praktizieren, lernten die Perry-Kinder schwimmen und Tennis. Afroamerikanischer Slang galt als Sprache der ungebildeten schwarzen Unterschicht und war streng verboten. Mein Jive war weitaus besser als ihrer.
Die zehn Perry-Kinder besuchten die besten »weißen« privaten Highschools von Houston und einige der besten Universitäten Amerikas. Mit Ausnahme des schwarzen Schafes Maurice, waren sie alle vorbildliche Bürger. Lynne war Jahrgangsbeste ihrer Highschool. Sie war klug, witzig und tanzte gut. Sie machte sich gerne über die schwerfälligen Harvard-Studentinnen mit ihrem mangelnden Rhythmusgefühl, ihren eckigen Bewegungen und ihrem ständigen Haareschütteln lustig.
Die Haltung ihrer Eltern mir gegenüber reichte von Morddrohungen bis zur fast vollständigen Akzeptanz. Einmal rief mich Dr. Perry von Houston aus an und sagte, er habe eine geladene Pistole in der Hand und würde mich aufsuchen, falls ich die Beziehung zu seiner Tochter nicht umgehend beendete. Ich nahm ihn ernst. Diese Texaner sind gefährlich, genau wie die Russen. Ich wollte Lynne aber nicht aufgeben. Sie war das Beste, was mir bisher in meinem Leben passiert war. Eine Zeit lang strichen sie ihr den Unterhalt, um zusätzlichen Druck auszuüben. Lynne war jedoch loyal und ließ sich nicht beeindrucken. Um liquide zu bleiben, nahm sie vorübergehend einen Job an. Letztendlich lieben die Perrys alle ihre Kinder, und so gaben sie schließlich nach und nahmen die großzügigen Unterhaltszahlungen wieder auf.
Überraschenderweise verstanden sich unsere Eltern gut. Meine Eltern wussten, dass Lynne einen guten Einfluss auf mich hatte, und Lynnes Eltern mochten meine Eltern. Ganz offensichtlich war ich in dieser Gleichung das schwarze Schaf. Zwischen beiden Eltern gab es eine Menge an kommerziellen Gemeinsamkeiten und einen ähnlichen großbürgerlichen gesellschaftlichen und kulturellen Ehrgeiz. Der Rassenunterschied war nach einigen Jahren bestenfalls ein drittrangiges Thema. Während ihrer Besuche in Deutschland wurde Lynne überall akzeptiert, sogar von meiner erweiterten Familie und den Altnazis. Reichtum, Bildung und Erfolg, nicht die Rasse, waren die relevanten gemeinsamen Nenner. Es war wirklich verblüffend, dass die Nachkommen von Sklaven und Nationalsozialisten so gut miteinander auskamen.
Lynnes Eltern versuchten ernsthaft, mich davon zu überzeugen, Arzt zu werden. Ich lehnte ihre gut gemeinten Vorschläge mehrere Male höflich ab. Die Perrys wollten, dass alle ihre Kinder Ärzte wurden, und die meisten taten ihnen den Gefallen. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, bis Anfang 30 intensiv zu studieren. Lynnes Eltern reisten zu unserer Verlobungsfeier und kamen bei allen unseren Freunden gut an. Die Perrys sind solide, ehrgeizige Bürger. Wie die Neckermanns zogen sie es vor, beunruhigende Probleme nicht anzusprechen, und kehrten jedes heikle Thema resolut unter den Teppich. Ihre Vorbehalte gegen Weiße im Allgemeinen und mich im Besonderen verstand ich. Ich bin froh, dass ich im rassengetrennten Süden nie in ihren Schuhen steckte.
Nach sechs Jahren gab mir Lynne wegen meiner chronischen Untreue den Laufpass und heiratete einige Jahre später einen zärtlichen, fürsorglichen deutschen Arzt – ein viel besserer Mann als ich. Sie haben zwei Kinder. Dr. Perry-Bottinger wurde ein berühmter Kardiologe und trat sogar bei Oprah Winfrey auf.
Zurück in Harvard spendete ich einem Kibbuz im Herbst einige Olivenbäume, um mich als besserer Mensch zu fühlen. Ich hatte nie irgendwelche soziale Arbeit getan und Lynne drängte mich ständig zur Selbstverbesserung durch Engagement für die Gemeinde. Zweifellos legte sie die Saat für meine späteren karitativen Aktivitäten in Liberia. Die
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