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Kopfgeldjagd

Kopfgeldjagd

Titel: Kopfgeldjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Homm
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Brutalität, aber null Finesse, eben ein wahres Monster von einem Kerl. Okay, es war nicht sein bester Tag und er warf sogar einige Airballs – das heißt, er traf nicht einmal die Korbanlage –, aber wenigstens war ich in Hochform.
    Nach dem Spiel kam ein 300 Pfund schwerer, narbenzerfurchter Bär mit grotesken Tätowierungen im Nacken auf mich zu und lud mich auf ein paar Drinks ein. Was wollte diese Bestie von mir? Wie sich herausstellte, wollten Vincent und sein bester Kumpel Smokey, der berüchtigte Drogendealer von East Harlem, mich für ihre Mannschaft in der St. Mary’s Basketballliga in der South Bronx gewinnen. Damals war die South Bronx für jeden, der auch nur im Entferntesten als weiß galt, absolutes Sperrgebiet. Die South Bronx machte Bedford-Stuyvesant (»Do or die in Bed-Stuy«) eindeutig Konkurrenz um den ersten Platz als verwahrlostes und gefährlichstes Viertel New Yorks. Der New Yorker Drogenhandel wurde als professionelle Industrie über mehrere Drogenwarenhäuser geführt. Kleinere Dealer hatten ihre Verkaufsstände auf dem Bürgersteig. Gangs beherrschten jede Straßenzeile des Gebiets. Schießereien aus fahrenden Autos heraus – Drive-by shootings – waren an der Tagesordnung, sodass sich die Polizei gar nicht mehr darum kümmerte und sich zum Teil nicht einmal mehr die Mühe machte, zu ermitteln. Jedes fünfte Gebäude wurde für einen Versicherungsbetrug angezündet und brannte aus. Dieses Viertel war reiner Mord. Ich wurde munter.
    In der Liga tummelten sich College-Superstars und mehrere bekannte NBA-Basketballer, wie zum Beispiel Gus Williams, Rodney und Scooter McCray, die in dieser Liga spielten, während sie darauf warteten, für neue NBA-Mannschaften aufgestellt zu werden. Außerdem gab es ein reichhaltiges Angebot an Muschis, Möglichkeiten zum Geldausgeben und zum Kokskonsum, falls mir danach war. Vincent gab mir zwei 100-Dollar-Scheine und versprach, mich in meiner Wohnung in Central Park South abzuholen, um mich zum Training zu chauffieren.
    Vincent fuhr einen zehn Meter langen, gepimpten 200.000-Dollar-Van mit Maßausstattung. Er enthielt ein beeindruckendes TV- und Stereosystem, Glastische zum Koksschnupfen und Ruhesessel, die so groß waren, dass sie bei Orgien auch als Betten dienen konnten. Ich hatte so etwas noch nie gesehen, nicht einmal in MTV-Videos. Vincent erfüllte in Smokeys Organisation mehrere Funktionen. Natürlich war er der Basketballtrainer, aber daneben war er auch für Marketing und Logistik in Smokeys Kokain- und Heroinkonzern verantwortlich.
    Unser Team war sehr gut aufgestellt. Dazu gehörten Art Green, der zuvor in der Basketballmannschaft der Marquette University in Milwaukee – den Golden Eagles – gespielt hatte und NCAA-Champion war, Tony Price, der die Universität von Pennsylvania in die Viererendrunde Final Four brachte und in der zweiten Runde von der NBA rekrutiert wurde, sowie Pookie Wilson, ein Verteidiger von NBA-Kaliber und Playground-Legende, der routinemäßig 30 Punkte pro Spiel warf. Wir beherrschten diese Provinzliga. Die Spiele waren alle gut besucht und am Ende des ersten Quarters trieben die Cannabis-Rauchschwaden bis zum Center Court. Da die meisten der Fans nie ihren Dis­trikt verlassen hatten und weiße Menschen nur aus dem Fernsehen kannten, wurde ich bald als »Larry« – nach Larry Bird, der Legende der Boston Celtics und des einzigen hochgewachsenen Weißen, den diese Jungs zu kennen schienen – bekannt. Auch wenn Bird nichts anderes als ein hässlicher Bauerntölpel aus French Lick, Indiana, war, fühlte ich mich von diesem Vergleich geschmeichelt, weil er ein Basketballgott und ein großartiger Führungsspieler war.
    Lamar, einer meiner Mannschaftskollegen, der zuvor an der Universität von Las Vegas studiert hatte (eine großartige höhere Ausbildungsstätte mit einer Abschlussrate von zehn Prozent unter den Football- und Basketball-Stipendiaten), fragte mich, woher ich kam. Ich sagte ihm, ich käme aus Deutschland, und er antwortete: »Dann bist du also ein Nazi?« Das war das erste Mal, dass mich jemand als Nazi bezeichnete, nur weil ich aus Deutschland kam. Ich war leicht verwirrt. Es dauerte fast eine Stunde, bis ich ihm erklärt hatte, dass es Nazideutschland seit dem Ende des großen Kriegs nicht mehr gab und dass Deutschland heute sowohl eine Demokratie als auch ein treuer Verbündeter der USA in der NATO war. Lamar kaufte mir diesen Geschichtsunterricht nicht ganz ab, denn er fragte mich weiterhin über

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