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Kopfloser Sommer - Roman

Kopfloser Sommer - Roman

Titel: Kopfloser Sommer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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Mutter.
    »Es ist schon spät, bestimmt schläft sie schon.«
    Eigenartig, dass er nicht längst angerufen hat. Aber vermutlich erwartet sie, dass er wegen Jacob irgendetwas unternimmt, vielleicht verlangt sie sogar, dass die Polizei eingeschaltet wird. Aber ich glaube, davon hält Vater nichts.
    Die Weinflasche ist leer, und Mutter geht zum Barschrankund schenkt zwei Gläser Gin und Tonic ein. Mir ist es egal, sie ist nicht betrunken, nur beschwipst. Wie so oft. Vater im Übrigen auch, aber eigentlich ist es ganz gemütlich. Es ist lange her, dass sie zusammen getrunken haben, und als sie wieder voll und ganz mit sich beschäftigt sind, schleiche ich mich zum Barschrank, um mir auch ein Glas einzuschenken. Der Drink ist stark, ich kann ihn kaum trinken.
    Plötzlich entdeckt Mutter etwas auf dem Fußboden, am Bücherregal. Sie bückt sich, um es sich näher anzusehen. Sie macht ein sehr ernstes Gesicht. Es könnte ein Blutfleck sein ‒ mein Gehirn arbeitet fieberhaft, um irgendeine Erklärung dafür zu finden. Doch es ist nur ein Foto. Ich blicke ihr über die Schulter. Das Bild zeigt uns alle vier auf einer Pauschalreise in Griechenland, es muss aus dem Fotoalbum gefallen sein. Doch aus dem Foto wurde etwas herausgeschnitten. Unsere Köpfe fehlen! Sie dreht sich mit einem fragenden Blick zu mir um. Ich gebe es nicht sofort zu. Mutter holt das Album und blättert darin. Vater setzt sich neben sie. Entsetzt stellen sie fest, dass mehrere Fotos zerschnitten wurden. Entweder sind die Köpfe verschwunden, oder nur noch die Köpfe übrig.
    Sie sehen mich vorwurfsvoll an, und ich nehme die Schuld auf mich, obwohl ich es nicht allein gewesen bin. Jacob hat im Augenblick genug Probleme. Und dann erzähle ich von meiner Collage. Vater wird neugierig, denn davon wusste er bisher nichts. Ich soll sie holen.
    Ich bin stolz, aber auch ein bisschen nervös, als ich sie ihm zeige. Sie ist fertig. Vater sieht sie sich sehr genau an, während ich die Luft anhalte.
    »Hat sie einen Titel?«
    »Die Familie zieht aufs Land.« Grübelnd betrachtet er das Bild noch eine Weile. Ich bereite mich auf eine Menge Fragen vor, doch stattdessen fängt er an zu lachen. Und bringt Mutter dazu, in sein Lachen einzustimmen.
    Die Familie zieht aufs Land, was für ein wunderbarer Titel, ich sei einfach genial, finden sie. Und jetzt sehe ich, dass Jacob auch etwas aus dem Fotoalbum herausgeschnitten und in die Collage geklebt hat. Ein Bild von sich. Er hat mich nicht um Erlaubnis gefragt, aber es sieht nicht schlecht aus. Jacob steht auf der Zugbrücke und bekämpft den Flugsaurier mit einem Schwert.
    Am Ende lachen wir gemeinsam und Mutter schenkt neue Drinks ein, auch ich bekomme noch ein Glas. Sie zwinkert mir zu, es ist ein ungewöhnlicher Abend. Geht’s uns nicht gut?, fragt sie. Eigentlich schon. Die Stimmung ist wirklich richtig gut, ein bisschen wie früher, bevor alles anfing auseinanderzubrechen. So etwas hat mir gefehlt. Ich trinke mein Glas aus und gieße mir noch eins ein, ohne dass Mutter es sieht.
    Die Idylle wird von Jacob zerstört, der aus seinem Zimmer nach mir ruft. Er weint nicht, aber er klingt verzweifelt, außerdem ist es merkwürdig, dass er nach mir und nicht nach Mutter ruft. Ich stehe auf, Mutter schenkt mir ein dankbares Lächeln. Sie möchte im Moment nicht gestört werden.
    Als ich Jacobs Zimmer betrete, sitzt er mit einem panischen Blick im Bett. Ich schließe die Tür, und er kriecht auf den Boden und zeigt unters Bett.
    »Wo ist er?«, fragt er. »Er müsste hier sein, was hast du mit ihm gemacht?«
    Ich tue so, als wüsste ich nicht, wovon er spricht.
    »Hast du ihn mitgenommen? Hast du ihn weggeschmissen?«
    »Wen denn, Jacob?«
    »Anders’ Kopf natürlich!«
    »Anders’ Kopf, nein, jetzt hör schon auf. Du hast nur geträumt. Leg dich wieder hin.«
    »Ich habe nicht geträumt. Ich habe ihn mit der Motorsäge abgesägt. Wir haben ihn in den Brunnen geworfen.«
    Ich muss lachen, denn mit einem Mal klingt es vollkommen grotesk. Vielleicht bin ich aber auch ein bisschen angetrunken. Ich schüttele nachsichtig den Kopf, so wie es Erwachsene oft tun, wenn man ihnen etwas Wahres oder Wichtiges erzählt.
    »Du meinst, ich hab das alles nur geträumt?«, fragt Jacob überrascht und sieht mich mit großen Augen an. Seine Haare stehen zu Berge.
    Ich nicke, streichele ihm über die Wange. Er ist erleichtert, aber auch verwirrt, versteht es nicht.
    »Wo ist Anders?«
    »Anders ist verschwunden, bevor Mutter wegfuhr, Jacob. Du

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