KOR (German Edition)
ob die Station überhaupt noch bewohnbar war. Jeffrey Norton hatte zwar irgendetwas über einen Notbetrieb gemurmelt, auf den sich das Blockheizkraftwerk automatisch zurückfahren würde, wenn Wartungsarbeiten ausblieben, doch Maggie hatte so ihre Zweifel, ob dieser Zustand auch für einen Zeitraum von einem ga n zen Jahr galt.
In diesem Augenblick machte sie sich größere Sorgen um die japanische Wissenschaftlerin. Ihre fahle Gesichtsfarbe und ihre verkrampfte Haltung stimmten Maggie nachdenklich. Ein krankes Mitglied in der Truppe konnten sie bei dieser Aktion nicht gebrauchen. Aus eigener Erfahrung wus s te sie, wie es endete, wenn jemand, der nicht ausgesprochen fit war, an einer schweren Rettungsaktion teilnahm. „Geht es Ihnen nicht gut?“
Yui hob überrascht ihre Augenbrauen. „Sehe ich krank aus?“
„Sie sehen vor allem nicht gesund aus.“
„Ich habe schlecht geschlafen. Außerdem leide ich ein wenig unter Flu g angst.“
Maggie hob Yuis Handgelenk und fühlte ihren Puls. „Etwas hoch. Aber verständlich. Schließlich weiß keiner von uns, was uns dort draußen erwa r tet.“
„Nicht wirklich.“
Yuis Antwort brachte sie zum Lachen. „Das können Sie laut sagen.“ Sie hatte die japanische Wissenschaftlerin auf Anhieb gemocht. Ihre Art und Weise verblüffte sie. Zum einen handelte sie sehr selbstbewusst und sicher, andererseits aber wirkte sie völlig in sich gekehrt, wenn Miss Whitehead auf ihr herumhackte. In diesen Situationen vermittelte sie den Eindruck eines kleinen Mädchens, das von ihrer Mutter gescholten wurde. Interessanterweise kam sie sofort wieder aus sich hervor, wenn es um wissenschaftliche Disku s sionen ging, als wollte sie die peinliche Situation rasch überspielen. Maggie konnte nicht nachvollziehen, wieso sie sich nicht gegen diese verbalen Att a cken wehrte. Befürchtete sie etwa, Chad Kruger zu schaden? Wie dem auch sei, sie fand Yui Okada sympathisch. „Seit wann arbeiten Sie denn bei Mr. Kruger?“
„Seit etwa drei Jahren. Davor studierte ich in Straßburg.“
Wiederum überraschte sie Yuis Antwort. „Straßburg? Wie kamen Sie denn auf diese Stadt?“
Yui zögerte einen Moment. „Das war eher eine spontane Entscheidung. Außerdem lehrt in Straßburg ein bekannter Volkskundler.“
„Spontan ist leicht gesagt, wenn man bedenkt, dass Sie von Japan nach E u ropa gezogen sind. Obwohl ich viel im Ausland bin, tu ich mich damit schwer. Ich habe mir schon öfter überlegt, meine Arbeit an den Nagel zu hängen und mich im Lake Dis t rict niederzulassen. Sagen Sie jetzt nichts, ich weiß, dass sich dort in gewisser Weise Fuchs und Hase G ute Nacht sagen. Aber ich liebe meine Heimat.“
Yui nickte gedankenverloren. „Manchmal denke ich, dass es leichter wäre, wieder nach Hause zu fliegen. Aber … Nun ja, ich glaube, es ist besser, wenn noch etwas Zeit vergeht.“
„Ich wette, da steckt etwas dahinter, das mich nichts angeht.“
„Vielleicht verrate ich es Ihnen einmal.“
„Das klingt zumindest hoffnungsvoll. Wie kommen Sie eigentlich ausg e rechnet auf Grenzwissenschaften? Früher brachte ich damit stets irgendwe l chen esoterischen Firlefanz in Verbindung. Ich hatte keine Ahnung, dass es Wissenschaftler gibt, die auf professionelle Art und Weise versuchen, solche Geheimnisse zu lüften.“
Yui strich sich durchs Haar. „Die meisten Leute halten uns für Scharlatane. Ich persönlich interessierte mich schon seit meiner Kindheit für rätselhafte Phänomene. Damals fühlte ich immer eine tiefe, fast schon schmerzhafte Enttäuschung, wenn ich las, dass hinter manchen Ereignissen völlig belangl o se Phänomene steckten. Aber so ist unsere Welt eben. Vielleicht erwarten wir mehr von ihr, als sie in Wirklichkeit ist. Ich studierte Volkskunde, da viele Artefakte in alte Bräuche involviert sind. Wenn man die Kultur versteht, ve r steht man auch den Gegenstand. Letztendlich brachte mich dies zu Chad Kruger. Mein damaliger Professor in Straßburg vermittelte mich, da Chad nach einem Mitarbeiter suchte.“
Maggie schmunzelte. „Ich wette, Mr. Kruger hat nicht im Traum daran g e dacht, eine so hübsche Assistentin zu bekommen.“
Yui errötete. „Vielleicht. Er ist auf jeden Fall ein sehr guter Mensch und ein hervorragender Wissenschaftler.“
Maggie überlegte für einen Augenblick, ob zwischen Yui und Kruger etwas lief. Ihre Frage hatte sie ziemlich in Verlegenheit gebracht. Sie verdrängte diesen Gedanken sofort wieder. Im Grunde genommen war es ihr
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