KORNAPFELGRUEN
ist verschwunden, soviel weißt du offenbar schon. Aber weißt du auch warum?“
Camilla schüttelte den Kopf.
„Seine Frau Gianna hat ihn gestern verlassen! Sie ist samt den beiden Kindern und den meisten Möbelstücken einfach ausgezogen, während er in der Firma war. Abends hat er dann nur noch einen Brief von ihr vorgefunden. Sie ist wohl nach Italien zurück, zu ihrer Familie.“
Jetzt war Camilla wirklich überrascht.
„Es war doch angeblich so eine glückliche Ehe. Und woher weißt du das alles überhaupt?“
„Unsere Chefredakteurin ist um drei Ecken herum mit ihm verwandt. Und von wegen glückliche Ehe! Du siehst ja, wohin das führt“ – Sabina lachte – „Im Übrigen weiß bereits die halbe Stadt Bescheid, solche Dinge lassen sich bekanntlich nie lange verheimlichen.“
„Deshalb hat seine Sekretärin so merkwürdig dahergeredet. Von wegen, sie wüsste auch nicht, wann er wieder auftauchen – ähm – hereinschauen würde!“ – Unwillkürlich hatte Camilla soeben Ellys Art zu sprechen imitiert, worauf Sabina schon wieder lachen musste.
„Übrigens ist er in ein Baumhaus gezogen!“ sagte sie, nachdem ihr Lachanfall abgeklungen war.
„Ach du lieber Himmel!“ entschlüpfte es Camilla nun schon zum dritten Mal an diesem Abend.
„Er hat es voriges Jahr wohl selbst zusammen mit einem Freund, der einen Schrebergarten besitzt, in dessen einzigen Baum dort hineingebaut, so als Gag. Während all die anderen Schrebergärtner ihr grundsolides bodenständiges Holzhäuschen herumstehen haben, besitzt besagter Freund das vermutlich einzige Baumhaus der Stadt. Und jetzt hat es auch noch einen ständigen Bewohner dafür. Daniel Kleeberg höchstpersönlich.“
„Was will er denn da bloß?“ wunderte sich Camilla mehr für sich selbst, aber Sabina gab prompt Antwort.
„Trauern, meditieren, Dampf ablassen, so etwas in der Richtung vermutlich. Keine Angst, der kommt schon wieder runter auf den Boden der Tatsachen. Wenn er erst seinen verletzten Stolz überwunden hat, wird er seine neu gewonnene Freiheit sehr schnell wieder zu genießen wissen, darauf wette ich.“
„Der arme Kerl! Du bist ein rohes Biest, Sabina, weißt du das? Ich hatte wirklich den Eindruck, dass er seine Frau sehr liebt. Und dann weißt du ja auch gar nicht, warum sie ihn verlassen hat. Vielleicht ist da ein anderer Mann im Spiel, und sie hat Daniel dies in ihrem Abschiedsbrief gestanden. Dann ist es doch nur zu verständlich, dass er verzweifelt ist. Zwei kleine Kinder sind auch da, das macht die Sache erst wirklich schlimm.“
Abwehrend hob Sabina beide Hände.
„Natürlich, in diesem Punkt gebe ich dir recht. Allerdings ist da auch sein Ruf als Frauenliebling, vergiss das nicht! Ich glaube nicht, dass seine Frau einen anderen hat, ich glaube vielmehr, dass sie die Nase von seinen Abenteuern voll hatte. Denk doch bloß mal daran, was er dir da vor zwei Tagen ins Haus geschickt hatte! Dieses unkeusche Nylon ist schon mehr als eine bloße Aufforderung zum Tanz, ich bitte dich! So naiv kannst doch selbst du nicht mehr sein, Schwesterchen. Immerhin bist du beinahe so alt wie ich. Ganze zehn Minuten jünger, um genau zu sein!“ – Sabina brach ab, weil sie schon wieder lauthals losprusten musste.
Albernes Frauenzimmer!
Camilla nippte schweigend an ihrem Rotwein. Sie wartete geduldig, bis Sabinas Lachen abebbte.
Alex fixierte von seiner Sitzstange im Käfig aus ebenfalls Sabina, auch er hielt dabei ausnahmsweise den Schnabel.
Als Sabina erneut nach ihrem Bierglas griff und trank, ergriff Camilla die Chance: „Und was wird jetzt aus meinem Fotoprojekt? Damit ist die Womanizer-Kampagne ja wohl gestorben! Daniel Kleeberg leckt seine Wunden, und ich muss mir mal wieder einen neuen Auftraggeber suchen.“
Sabina stellte das Bierglas mit Nachdruck ab. „Ach was, das wird schon, keine Sorge. Nächste Woche spätestens klettert der von seinem Baum herab und startet wieder durch. Ich meine, der braucht doch jetzt erst recht Geld. Er wird der hübschen Gianna und ihren beiden reizenden Kleinen jeden Monat einen saftigen Batzen Unterhaltsgeld überweisen müssen, da kannst du sicher sein. Außerdem braucht er neue Möbel. Und wenn es tatsächlich zur Scheidung kommt, blutet er gleich noch mal aus sämtlichen Poren. Der muss zusehen, dass sein Laden brummt, Camilla! Jetzt mehr denn je. Ich wette mit dir, der ruft dich spätestens nächste Woche an und macht sogar richtig Druck!“ – Sabina kicherte erneut vergnügt – „Und
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