KORNAPFELGRUEN
machte sich seiner Rennfahrerei wegen schon genug Sorgen um ihren einzigen Sohn. Da musste der nicht auch noch mit einer deutlich älteren Frau durch die Gegend ziehen. Die noch dazu bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit versuchen würde, mit Ruth darum zu wetteifern, nach welcher Pfeife der süße Kleine wohl am eifrigsten tanzen würde. Es blieb wirklich nur zu hoffen, dass Sabina möglichst bald schon mit ihm fertig war und ihn in den Wind schoss. Oder auch umgekehrt ... Allerdings lief das bei Sabina meistens so nicht. Die besaß – für Camilla nicht wirklich nachvollziehbar – eine seltsame Macht über jene Männer, mit denen sie etwas anfing. Man hätte Sabina glatt als weiblichen Womanizer bezeichnen können ... Wenn das nicht irgendwie unsinnig geklungen hätte. Wie ein Widerspruch in sich selbst.
MANEATERIN - plötzlich kam Camilla das bessere Wort für eine Frau wie Sabina in den Sinn.
Ja, das war es wohl! Das traf es auf den Punkt. Anscheinend verfügte der englische Sprachraum über mehr Erfahrung mit solchen Weibsbildern, die reihenweise Männer vernaschten, um sie dann hinterher kalt fallen zu lassen.
Sabina war eine Maneaterin. Eine, die Männer verkonsumierte – sich die Kerle einverleibte, wie auch immer man es übersetzen mochte. Jedenfalls das weibliche Gegenstück zum Womanizer!
Camilla griff sich ein Blatt Papier und einen Stift:
WOMANIZER war giftgrün, MANEATERIN dunkelgrün!
Na bitte, wer sagte es denn ... Dann fiel Camilla auch noch der Oralsex wieder ein.
Vorsichtshalber schrieb sie das Wort gleich noch einmal hin: Kornapfelgrün, wie gehabt!
Na, wenn das kein witziger Zufall war ….
Diese versammelten Grüntöne hatten es in sich, vor allem die lustigen Abstufungen: Von kornapfelgrün über giftgrün nach dunkelmoosgrün.
Aber vielleicht war es ja auch gar kein Zufall, vielleicht bestand da tatsächlich ein – hm - gewisser Zusammenhang?
Gegen Abend klingelte es Sturm an Camillas Tür.
Richard hatte kurz vorher angerufen und erklärt, es würde sicher wieder Mitternacht werden.
Einen Augenblick lang kämpfte Camilla gegen die Versuchung an, das nervige Sturmgeläute einfach zu ignorieren.
Sie hatte sich auf einen ruhigen Abend gefreut, an dem sie diesen Artikel in einem englischen Sex-Magazin über Oralsex hatte lesen wollen.
Sabina würde bald wieder nach dem Recherchematerial fragen.
Und allmählich fing Camilla nun doch an, das Thema mehr und mehr reizvoll zu finden. Zwar hatte es in ihrer eigenen Ehe mit Richard nie eine Rolle gespielt, aber offenbar war dies bei anderen Leuten anders.
Camilla hatte vor ihrer Heirat schon persönlich Bekanntschaft damit gemacht, war aber nicht besonders beeindruckt gewesen, soweit sie sich erinnern konnte. Aber vielleicht hatte das auch bloß an ihrer eigenen (und der des beteiligten jungen Mannes) Unerfahrenheit gelegen. Sehr wahrscheinlich sogar.
Das Sturmläuten an der Tür wollte kein Ende nehmen. Camilla gab auf.
„Ich bin es!“
Sabina klang atemlos übers Haustelefon. „Mach schon endlich auf, Schwesterherz, verdammt noch mal! Ich habe äußerst interessante Neuigkeiten für dich. Ich sage bloß `Daniel Kleeberg`!“
„Ach, du lieber Himmel. Komm schon rauf!“ - damit drückte Camilla auf den Türöffner.
Sie hörte, wie Sabina die Treppe hoch stürmte. Offenbar nahm sie dabei jedesmal zwei Stufen auf einmal.
„Ach, du lieber Himmel!“ sagte Camilla gleich noch einmal. Dann riß sie die Wohnungstür auf.
Die Schwester rannte mit roten Bäckchen und glänzenden Augen an ihr vorbei ins Wohnzimmer.
Alex ließ vor Schreck den nächsten Apfelspalt fallen, den Camilla ihm kurz vorher serviert hatte.
„Daniel Kleeberg ist irgendwo untergetaucht, soviel habe ich bereits mitbekommen!“ – Camilla reichte Sabina das volle Glas Rotwein, das sie sich kurz vor dem Sturmgeläute für sich selbst eingeschenkt hatte.
Sabina schüttelte den Kopf. „Ein kühles Bier wäre mir jetzt lieber bei meiner trockenen Kehle. Ich jage seit Stunden in der Stadt umher, und jetzt noch zu dir hoch. Wo ist überhaupt dein Mann?“
„In der Firma, wo sonst?“
„Oh gut! Dann können wir ja ganz ungestört reden.“
Sabina folgte Camilla auf dem Fuße in die Küche, um die kalte Flasche Pilsener aus dem Kühlschrank in Empfang zu nehmen. Sie schenkte sich selbst ein und trank beinahe in einem Zug das Glas leer.
„Ah“, sie schnalzte mit der Zunge, „das war gut, jetzt geht es mir besser. Also, Daniel Kleeberg
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