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Kornmond und Dattelwein

Titel: Kornmond und Dattelwein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Mackey
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zurück. »Glaubst du denn, ich könnte diese verwünschten Biester ganz allein melken?« Der Himmel und die Erde gerieten in Bewegung. Inanna wandte den Kopf ab und übergab sich. »Also bitte.« Der Abscheu in Dugs Stimme war so dick wie der Schaum auf dem Wasser eines Sees, als sie Inanna einen Korb mit warmer Milch in die Hände drückte. »Geh damit zum Zelt zurück und paß diesmal auf, daß du nicht wieder die Hälfte verschüttest. Wenn du weniger essen und dafür mehr arbeiten würdest, ginge es dir sicher besser.« Inanna marschierte schwankend den Hügel hinab und preßte dabei den Milchkorb an die Brust. »War mir klar, daß du krank werden würdest«, rief Dug ihr nach. »Das mußte über kurz oder lang ja dazu kommen. Hofhalten und die große Heilerin spielen, das ist es doch, was du am liebsten tust! Jetzt paß lieber auf!«
    Am nächsten Morgen fühlte sich Inanna wieder unwohl. »Du hast doch nicht etwa die Darmkrankheit?« fragte Dug mißtrauisch, bevor sie im anderen Ende des Zelts verschwand. Hursag träufelte ihr etwas kaltes Wasser auf die Stirn und hockte sich neben sie, bis es ihr etwas besser ging.
    »Es ist nichts«, erklärte sie ihm.
    »Gut, meine Liebe.« Er näherte sich ihr seit ihrer Rückkehr nicht mehr in Lust, und dafür war sie ihm dankbar. Aber die alte Zärtlichkeit zwischen ihnen war immer noch da. »Ruh dich noch ein Weilchen aus.«
    Sie nickte und versprach, ganz still liegenzubleiben, aber nachdem der Alte aus dem Zelt gegangen war, päppelte sich Inanna mit einem Sud aus Minze und Wildgurkensaft wieder auf und besuchte einen Mann, dem sie einen Splitter aus dem Knie ziehen mußte. Am Abend hatte sie ihr Unwohlsein völlig vergessen, aber am nächsten Tag erwachte sie mit der gleichen Übelkeit. Was war denn nur los mit ihr? Sie machte sich an ihre Arbeit und verdrängte alle Gedanken an ihre Krankheit. Später wunderte sie sich über ihre Dummheit und fragte sich, wie lange sie sich schon weigerte, das Offensichtliche zu erkennen.
    Am vierten Morgen lag sie wach auf ihrem Lager, fühlte sich hundsmiserabel und war zu schwach zum Aufstehen. Durch die offene Zeltklappe zeigte sich das erste graue Licht der Dämmerung am Himmel. Ohne erkennbaren Grund schon so früh wach und zu allem Überfluß auch noch krank. Im hinteren Teil des Zelts vermischte sich der Rhythmus von Hursags leisem Schnarchen mit dem von Tante Dug. Langsam reichte es ihr hier ganz entschieden!
    Was war denn nur los mit ihr? Und dann kam ihr die Erkenntnis. Zuerst nur als schwacher Verdacht, der immer stärker wurde und sich schließlich zur Gewißheit verdichtete: Sie trug ein Kind im Bauch. Enkimdus Kind.
    Freude durchströmte sie. Ach, wäre Enkimdu doch nur hier, um mit ihr diesen Moment zu teilen! Sie dachte daran, wie er sie in seinen Armen gehalten hatte, als sie das letztemal zusammen gewesen waren. Das Kind mußte damals schon bei ihnen gewesen sein, und sie hatten es nicht einmal geahnt! Inanna strich sich über den Bauch und lächelte. Enkimdu würde so stolz sein, auch wenn er behauptete, sein Volk gäbe nichts auf die Vaterschaft. Dies würde ihr erstes Kind sein.
    Großer Kur, was dachte sie denn da! Hatte sie vollkommen den Verstand verloren? Dies war die größte Katastrophe. Jeder im Stamm wußte, daß Hursag nicht mehr in der Lage war, ein Kind zu zeugen. Und Dug wußte, daß Inanna seit ihrer Rückkehr aus den Bergen nicht einmal Hursags Lager geteilt hatte. Das Lager ihres Gemahls. Wie lange würde Dug wohl noch warten, bis sie überall im Lager herumerzählte, daß Hursag noch eine Wolfsfrau in seinem Zelt beherberge?
    Inanna ballte die Fäuste und zwang sich dazu, bis zum Ende weiterzudenken. Es würde ihr nichts nutzen, daß sie so viele aus dem Stamm geheilt, daß sie so vielen Babies auf die Welt geholfen und daß sie einige sogar vor dem sicheren Tod bewahrt hatte. Der ganze Stamm würde sich gegen sie wenden, und Pulal würde ihn anführen. Und dann konnte sie das grauenhafte Ende von Lilith noch einmal erleben, diesmal jedoch am eigenen Leib.
    Stille. Ein Vogelruf. Inanna setzte sich vorsichtig auf und sah sich im dunklen Zelt um. Ein paar Schritte entfernt lag Dug auf der anderen Seite der Feuerstelle und schnarchte laut. Wieder schrie der Vogel, dann schwieg er. Wenn sie nur noch einen Funken Verstand besaß, würde sie sich dieses neuen Lebens entledigen, bevor jemand ihren Zustand bemerken konnte. Inanna tastete ihren Bauch ab und versuchte, sich vorzustellen, wie sie in fünf

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