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Kornmond und Dattelwein

Titel: Kornmond und Dattelwein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Mackey
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Hursag saß auf einem Stapel Felle vor dem Eingang zum rückwärtigen Teil des Zelts und trank aus einem Becher frische Milch. Er wirkte unglaublich alt und sah aus wie ein ausgetrocknetes Kind. Er hob den Kopf, als er Inanna bemerkte, schaffte es, seinen Husten unter Kontrolle zu bekommen, und lächelte sie so freundlich an, daß es ihr wie ein Stich durchs Herz fuhr. Sie liebte den Alten wirklich und haßte die Vorstellung, ihn zu verlassen und den Launen von Dug, Enshagag und Pulal auszusetzen. Sie hätte ihm so gern etwas gesagt, an das er nach ihrer Flucht denken konnte, etwas, mit dem sie ihn wissen ließ, daß sie nicht seinetwillen von hier fortging, aber bevor sie sich etwas Passendes ausgedacht hatte, kam Pulal ins Zelt und ließ sich auf der anderen Seite des Feuers nieder. Und schon kehrte auch Dug zurück und brachte Enshagag mit.
     
    Bis in die Nacht hinein saßen die drei um das Feuer und unterhielten sich, während Hursag dösend auf seinen Fellen hockte und Inanna so tat, als würde sie ihre Kräuter ordnen. Gelbe Blumen auf diesen Haufen, blaue auf jenen, und wen scherte es schon, wofür oder wogegen sie einzusetzen waren? An diesem Abend bereitete es ihr wirklich Mühe, sie auseinanderzuhalten. Alle ihre Gedanken waren bei Enkimdu, der bei den Eichen auf sie wartete.
    Wollten Pulal und Enshagag denn überhaupt nicht mehr gehen? Wollten sie denn nicht endlich ihr Schwatzen einstellen und Hursag und Dug die Möglichkeit geben, ihr Lager aufzusuchen? Das monotone Geräusch ihrer Unterhaltung machte Inanna so nervös, daß sie am liebsten laut geschrien, ihnen den Lederbeutel an den Kopf geworfen hätte und aus dem Zelt gerannt wäre. Aber sie biß sich in die Wangen und sortierte weiterhin rote, gelbe und blaue Blumen. Sollte doch über sie alle ein Fluch kommen! Warum zeigten sie noch überhaupt keine Ermüdungserscheinungen? Und was schwatzten sie sich da zusammen? Unsinn wahrscheinlich, und belangloses Zeugs.
    Zuerst ließ Enshagag es sich nicht nehmen, eine lange Geschichte von einer schwarz und weiß gefärbten Geiß zu erzählen, die ein dreibeiniges Zicklein zur Welt gebracht hatte. Der Vorfall hatte sich vor gut zehn Jahren zugetragen, als Inanna noch ein kleines Mädchen gewesen war, aber die Mutter wärmte jede noch so unbedeutende Einzelheit wieder auf, so als sei das arme Tier erst heute morgen geboren worden. Pulal, der das Geschwätz seiner Mutter stets zu genießen schien, nickte eifrig und drängte sie immer wieder, doch fortzufahren, wenn sie an ihrer eigenen Geschichte das Interesse zu verlieren schien. Am Ende grunzte er befriedigt, legte Enshagag eine warme Decke um die Schultern und reichte ihr die besten Stücke aus dem großen Topf über dem Feuer. Einen Moment lang fürchtete Inanna schon, er könne die Mutter bitten, die Geschichte noch einmal zu erzählen, nachdem sie sich gestärkt hatte, aber statt dessen war Dug nun an der Reihe.
    Unendlich lang, so schien es Inanna, führte Dug laut und beredt Klage darüber, wieviel besser es ihr doch gegangen sei, als sie noch Witwe gewesen war. Hursag habe zu viele Ziegen, um sie hüten zu können; sein Zelt sei unerträglich zugig; Inanna habe nichts als Unsinn im Kopf und sei schrecklich faul; und der alte Greis mache ihr mehr Arbeit als drei kleine Kinder. Während sie sich beschwerte, nickten Pulal und Enshagag verständnisvoll und drängten sie, ihre Klageliste noch detaillierter darzulegen. Hursag, um den es bei dieser endlosen Leier hauptsächlich ging, fiel irgendwann mittendrin in tiefen Schlaf. Als Dug bemerkte, daß der Wichtigste in ihrem Publikum gar nicht mehr zuhörte, kam sie sehr rasch zum Ende ihrer Litanei. Eine Minute lang hörte Inanna nichts anderes als das Schnarchen des Alten und das Prasseln des Feuerholzes. Sicher würden sich Pulal und Enshagag jetzt verabschieden, und Dug würde ihr Lager aufsuchen.
    Pulal streckte sich und gähnte so ausgiebig, als wollte er seinen bevorstehenden Aufbruch ankündigen. Aber als Inanna schon ihre Kräuter in den Sack zurückschob, zog er ein bearbeitetes Stück Holz aus seiner Tasche und legte es mit einem Satz bunter Steine auf eine flache Felsstelle neben dem Feuer. »Oho!« riefen Dug und Enshagag. Die alten Frauen fuhren mit begeisterten Ausrufen über die glänzenden Steine und bauten sie eifrig auf dem Steinbrett auf.
    Großer Kur, nicht das! Inanna starrte voller Verzweiflung auf das Spiel. Aus langer Erfahrung wußte sie, daß die drei nun bis zum Morgengrauen

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