Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Korridore der Zeit

Korridore der Zeit

Titel: Korridore der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poul Anderson
Vom Netzwerk:
Vorfahren? Man sieht es Ihnen nicht an.«
    »Wie sehe ich denn aus?« fragte sie herausfordernd.
    »Der Teufel soll mich holen, wenn ich es weiß. Vielleicht wie eine Mischung, die vollkommener ist als ihre einzelnen Bestandteile.«
    »Was höre ich da? Ein Amerikaner aus dem Süden, der etwas für die Rassenmischung übrig hat?« Sie hob den Kopf. »Es gibt wirklich unterschiedlich wertvolle Rassen. Nicht in der verzerrten Auslegung des zwanzigsten Jahrhunderts, wohl aber in bezug auf die Erbmasse.«
    »Theoretisch. Woran aber wollen Sie den Unterschied ablesen, wenn nicht an der Leistung?«
    »Es ist möglich. Die laufenden Veröffentlichungen über die Vererbungslehre stellen einen Anfang dar. Eines Tages wird es möglich sein, die Fähigkeiten eines Menschen schon vor seiner Geburt abzuschätzen.«
    Lockridge schüttelte den Kopf. »Diese Vorstellung gefällt mir nicht. Ich bleibe dabei, daß jeder Mensch frei geboren wird.«
    »Was heißt das?« fragte sie spöttisch. »Neunzig Prozent der Menschen sind von Natur aus nicht mehr als Haustiere. Von Bedeutung ist nur die Befreiung der restlichen zehn Prozent. Und doch möchte man sie heute auch am liebsten noch zähmen.« Sie blickte aus dem Fenster auf das in der Sonne glitzernde Wasser und die mit dem Wind segelnden Möwen. »Da haben Sie den Selbstmord der Zivilisation, von dem Sie sprachen. Eine Herde von Stuten kann nur von einem Hengst bewacht werden – nicht von einem Wallach.«
    »Mag sein. Aber man hat es mit erblicher Aristokratie versucht, und was ist dabei herausgekommen?«
    »Meinen Sie, Ihre Demokratie sei erfolgreicher?«
    »Mißverstehen Sie mich nicht«, sagte er. »Ich möchte schon ein dekadenter Aristokrat sein. Ich kann es mir nur nicht leisten.«
    Ihr Hochmut wurde von befreitem Lachen fortgeschwemmt. »Danke. Wir waren in Gefahr, ernsthaft zu werden, nicht wahr? Und hier kommen die Austern.«
     
    In Nyborg verließen sie die Fähre, fuhren über Fyn, durch Hans Christian Andersens Geburtsort Odense – »Aber der Name bedeutet eigentlich Odins See«, erklärte Storm Lockridge. »Und einst hängte man Menschen, um ihm Opfer zu bringen.« Schließlich überquerten sie die Brücke nach Jütland. Er erbot sich, das Steuer zu übernehmen, aber Storm Darroway wehrte ab.
    Das Land wurde weiter, als sie nordwärts einbogen. Es war weniger dicht besiedelt, man erkannte lange Hügel, bedeckt mit Wäldern oder blühendem Heidekraut, unter einem hohen Himmel. Als sie sich Holstebro näherten, orientierte sich Lockridge auf der Karte und stellte mit leisem Unbehagen fest, daß sie es nicht mehr weit hatten.
    »Vielleicht wäre es besser, Sie weihten mich jetzt ein«, schlug er vor.
    Ihre Miene und ihre Stimme waren schwer zu deuten. »Ich kann Ihnen nur recht wenig sagen. Das Gelände wurde von mir bereits erkundet. Am Tunneleingang haben wir keine Schwierigkeiten zu erwarten. Später vielleicht ...« Sie packte seinen Arm so fest, daß ihre Nägel schmerzhaften Druck hinterließen. »Seien Sie auf Überraschungen vorbereitet. Ich habe Ihnen viele Einzelheiten unterschlagen, weil der Versuch, zu verstehen, Sie zu sehr ablenken würde. Wenn wir in eine Notlage geraten, müssen Sie entsprechend reagieren, ohne lange zu überlegen. Verstehen Sie, was ich meine?«
    »Ich denke schon.« Er wußte, daß ihr Rat guter Karatepsychologie entsprach.
    Nicht weit hinter Holstebro verließ Storm die feste Straße. Ein sandiger Feldweg schlängelte sich zwischen Feldern hindurch, die rechts an bewaldetes Gelände grenzten. Storm steuerte den Wagen an den Wegrand und schaltete den Motor ab. Stille herrschte, die durch keinen Laut unterbrochen wurde.

3
     
     
    Lockridge räusperte sich. »Sollen wir ...«
    »Psst!« Sie entnahm dem Handschuhfach eine kleine dicke Scheibe, über deren eine Seite Farben in seltsamem Spiel tanzten. Sie drehte das Gebilde zwischen den Händen und musterte mit gebeugtem Kopf das Farbenspiel. Er sah, wie sie erleichtert aufatmete. »Sehr gut«, murmelte sie. »Wir können weitergehen.«
    Lockridge streckte die Hand aus. »Was stellt dieser Gegenstand dar?«
    Sie traf keine Anstalten, ihm das scheibenförmige Gebilde zu geben. »Ein Anzeigegerät«, sagte sie kurz. »Los! Im Augenblick ist das Gelände sicher.«
    Er erinnerte sich an seinen Entschluß, ihren Anweisungen zu folgen, was immer sie auch verlangen mochte. Dazu schien zu gehören, daß er keine unsinnigen Fragen stellte. Er stieg aus und öffnete den Kofferraum. Storm schloß

Weitere Kostenlose Bücher