Korrupt (German Edition)
die Idee kommen würde, dass es einen Zusammenhang gab. Niemand, außer dem jungen Sture Hult. Annie beschloss, das Datum zu überprüfen. Und seinen Namen. Auf den Mikrofilmen der Kungliga Biblioteket. Dort lag die Antwort, und damit konnte sie nicht bis zum nächsten Tag warten.
Den ersten Artikel, datiert auf den Montag nach dem Freitag, an dem ihre Mutter laut Sture Hult gestorben war, entdeckte sie in der Tageszeitung
Folket
.
Ein Paar machte am Seeufer des Båven eine fürchterliche Entdeckung. Gegen halb neun am Sonntagmorgen fanden die Spaziergänger eine übel zugerichtete Frauenleiche. Die Identität der Frau konnte erst gestern ermittelt werden. Es handelt sich um Fräulein Karin Kristina Åkesson, geboren 1933 . Als Todesursache wurde Ertrinken festgestellt. Fräulein Åkesson hinterlässt eine dreijährige Tochter.
Annie wischte sich eine Träne von der Wange. Sie überlegte, woran ihre Mutter wohl zuletzt gedacht hatte. Sie war sich bewusst gewesen, dass ihr kleines Mädchen allein in der Welt zurückbleiben würde. Das hatte sie vermutlich ebenso entsetzt wie die Tatsache, sterben zu müssen. Sie setzte ihre Lektüre fort und stieß auf den nächsten Artikel.
Rätselhafter Brand auf Gut Töversta in Helgesta
Sie fuhr mit dem Finger die Zeilen entlang, bis sie zum letzten Absatz kam. Sie hatte das Gefühl, als risse ihr jemand das Herz aus der Brust. Sie kniff die Augen zusammen und hielt den Atem an. Der Text war immer noch da.
Das Gut Töversta befindet sich im Besitz des Industriellen Johan Droth sr. aus Stockholm. Sein Sohn, Johan Droth jr., befand sich während des Feuers auf dem Anwesen, ist aber unversehrt.
Annie lehnte sich zurück und griff sich an den Hals. Sie konnte nicht mehr klar denken. Ihre Mutter. Das Gut Töversta. Die Prostituierten. Der Herrenbund. Männer, die Menschen kauften. Frauen, die sich wie Ware feilboten. Frauen, die sich nach einem anderen Leben sehnten. Sture Hult. Johan Droth.
Sie nahm ihre Tasche und eilte Richtung Toilette. Ein Paar stritt in einiger Entfernung in einer fremden Sprache, eine ältere Frau versuchte sie zu beruhigen. Tränen brannten auf Annies Wangen und schmeckten salzig. Das Früher und das Jetzt standen plötzlich in einem ganz neuen Zusammenhang. Ihre Mutter spielte eine Rolle. Und der Mann, von dem es hieß, er sei ihr Vater, spielte eine andere. War Annie jemand gefolgt und hatte dafür gesorgt, dass sie auf diese Spur stieß? Wie war ein solch teuflischer Zufall möglich? Was konnte der Mann, über den sie mit großer Mühe Nachforschungen angestellt hatte, mit ihrer Mutter zu tun haben? War das überhaupt plausibel? Sie musste sich sofort mit diesem Sture Hult in Verbindung setzen. Egal, was für ein Spiel er mit ihr trieb, sie würde ihn zum Reden bringen. Aber vorher musste sie ihn finden.
Annie drehte das kalte Wasser auf, hielt ihr Gesicht unter den Hahn und trank in großen Schlucken.
Als sie die Toilette verließ, sah sie sich um.
Sie rief zu Hause an. Keine Antwort.
Sie wählte Kay Orhas Nummer. Er meldete sich nach dem zweiten Freizeichen.
Sie redete schnell, erzählte von Sture Hult, Johan Droth und ihrer Mutter. Kay Orha stellte einige Fragen, sie antwortete. Sie bat um Hilfe, und er versprach zu tun, was er konnte, um Sture Hult ausfindig zu machen. Wie benommen beendete sie die Verbindung. Sie musste dringend mit Max sprechen.
Annie verließ die Bibliothek. Der Nachmittag war kalt, aber sie knöpfte ihren Mantel nicht zu. Sie schwitzte. Sie wollte zum Club, um nachzusehen, ob Max dort war. Er musste dort sein. Er war ihre Familie, dieselbe heute wie gestern. Davon abgesehen hatte sich alles verändert. Sie wollte, dass er sie mit dem für ihn so typischen Gesichtsausdruck ansah.
Sie zog ein kleines Notizbuch aus der Tasche mit Namen, Daten, Orten und hielt es aufgeschlagen in der Hand, als erwarte sie, dass sie noch etwas entdecken würde. Eine Ungereimtheit. Eine Erklärung. Jemand rempelte sie von hinten an, sie drehte sich um. Ein Mann murmelte eine leise Entschuldigung, und sie sah ihn wütend an. Sie hielt einen Augenblick inne und atmete tief durch. Ihr war warm, sie zog ihren Mantel aus und legte ihn über ihre Umhängetasche. Sie bog in die David Bagaresgatan ein, um dem Gedränge zu entfliehen. Hier war es still. Keine Menschenseele war zu sehen. Sie hielt auf der Anhöhe zur Regeringsgatan inne und stellte ihre Tasche ab. Die Treppen waren ihr zu viel. Alles war ihr zu viel. Sie zog den
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