Korrupt (German Edition)
Schrotflinte dicht nebeneinander, seine Blicke waren genauso furchterregend wie seine behaarten Fäuste. Die Sandsäcke im Boxclub in der Östgötagatan konnten ein Lied davon singen, wie sie sich anfühlten. Und viele teilten diese Erfahrung.
Interpol war auf ihn aufmerksam geworden, hatte ihm aber bislang nichts nachweisen können. In seiner Akte stand Folgendes: «Vitomir Jozak alias der Pate. Geboren 1950 in Pančevo nördlich von Belgrad. Seine Familie pflegte Kontakte zur Geheimpolizei (Uprava državne bezbednosti, UDBA ) und war mit Tito befreundet. Zog in den 1970 er Jahren nach Schweden. Sein neun Jahre jüngerer Bruder Ranko folgte ihm einige Jahre später. Arbeitet als sein Leibwächter. Mutter in Belgrad. Vater verstorben. Engster Vertrauter ist Avram Gavrić. J. betreibt Restaurants und Fitnessstudios. Schmuggelt gefälschte Markenjeans, Zigaretten und Drogen, vor allen Dingen Heroin, aber auch Kokain, nach Schweden. Wird einiger Morde verdächtigt. Des Mordes an dem Schriftsteller Ante Mikulić in Paris 1978 . Des Mordes an dem Geschäftsmann Stjepan Tuksor, Berlin, Westdeutschland, 1979 . Des Mordes an dem ehemaligen Offizier Nahid Jozak, Carcaixent, Spanien, 1981 . Filmte vermutlich im Auftrag der UDBA im Gegenzug für die Genehmigung zum Zigaretten- und Drogenschmuggel aus Mazedonien eine Demonstration für die kroatische Unabhängigkeit in Stockholm im Herbst 1985 , was die schwedische Polizei bestätigt.»
Im Herbst 1979 war er nach Schweden gekommen, einige Monate nachdem sein Kumpel Božko einen Kumpan mit Waffengewalt aus einem Stockholmer Gerichtssaal befreit hatte, was für Schlagzeilen gesorgt hatte. Seither wurden alle Jugoslawen in Stockholm mit Božko in Verbindung gebracht, ob es ihnen recht war oder nicht. Das nahm mit jedem Jahr zu. «Kennst du Božko?», wurde er oft gefragt. «Arbeitest du für Božko?» Es gab Leute, die in den Clubs am Stureplan seinen Namen erwähnten, um sich bei jungen Frauen à la Jannike Björling wichtig zu machen, aber er gehörte nicht dazu. Früher hatte er mit ihnen zusammen Läden ausgeraubt. Rotznasen, dachte er jetzt. Candyman, Zika, Vule, Božko und er. Irgendwie hatten sich ihre Wege einige Jahre lang unentwegt gekreuzt. Er arbeitete für den Staat, Božko arbeitete für den Staat. Er fuhr nach Rom, als sein Kumpan Davocic nach Triest gezogen war und ein paar Leute von der Mafia kennengelernt hatte, die für ihn Arbeit in Rom hatten. Als er dort eintraf, war Božko bereits da. Sie hielten die ganze Zeit miteinander Schritt, doch das machte sie nicht zu Freunden. In dieser Branche hatte man keine Freunde. Er bezahlte ihn, wenn er ihn brauchte, und hielt sich von ihm fern, wenn es ihm ratsam erschien. Jetzt fuhr Božko einen rosa Cadillac, trug teure Anzüge und eine Rolex. Vito hatte gehört, dass er sich so in Belgrad zeigte.
Kenneth fragte: «Sollen wir Champagner bestellen und feiern?»
Ranko und Avram sahen Vitomir an. Dieser dachte, warum nicht, und nickte. Sie winkten einen Kellner herbei, und Vitomir warf noch einen Blick in die Tasche. Nichts übertraf den Anblick von Cash.
Aus zwei Gründen hatte er Belgrad verlassen: Dort war es kaum möglich, Geld zu verdienen, und die Strafen waren hart. Für den Umzug nach Schweden hatten drei Faktoren gesprochen: Dort gab es Geld, schlechte Schlösser und kurze Strafen. Er hatte keinerlei Absichten, nach Belgrad zurückzukehren. Freunde von ihm waren gewarnt worden: «Verlass die Stadt, es wird blutig und schmutzig.» Hinter vorgehaltener Hand wurde auf der Straße, in Restaurants und Bars über die Pläne von Slobodan Milošević gesprochen. Bald würde in allen Medien darüber berichtet werden, auch bei CNN . Die Serben sind das große Volk, sagte er. Die anderen sind gegen uns. Sie sind unsere Feinde.
Nebeski narod
, wir sind das himmlische Volk. Vitomir Jozak hatte jedoch keine Lust, in den Krieg zu ziehen, weil irgendjemand anderes Blut oder eine andere Kultur hatte. Er kämpfte nur um eines: Geld.
Er blickte auf, als der Kellner mit dem Champagner kam, schob seine Manschette hoch und sah auf die Uhr. Eine digitale Armbanduhr mit einem unterhaltsamen Spiel mit einem Fallschirmspringer. Es war 0 . 52 Uhr. Sie hoben ihre Gläser, und Kenneth grinste. Partner, dachte Vitomir und grinste ebenfalls.
«Jede Woche», sagte Vitomir und lehnte sich über den Tisch, «kommt mein Anwalt und zahlt dir zwei Prozent Zinsen. Aber der Kredit bleibt bestehen. Du kannst ihn nach Belieben fällig stellen,
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