Korrupt (German Edition)
hofft, dass dieser Christer Pettersson nicht schuldig gesprochen wird, denn dann wird der wirkliche Palme-Mörder nie gefasst, und ich glaube, er hat recht.»
«Ich bin auch Polizist, Mama, ich weiß genau, was Sache ist, und …»
«Polizist», unterbrach sie ihn. «Du hättest Lehrer werden sollen. Die können dich brauchen. Und Milch kriegen die Kinder in der Schule auch keine mehr. Wir sind zu viele. Bald ist es hier wie in China. In Hallunda bei Monica im Haus herrschen offenbar unglaubliche Zustände.»
So ging es weiter, bis sie einschlummerte und er sie ihrem Nachtschlaf überließ.
Er hatte den Fall mit der verschwundenen Journalistin von Leif Gustafsson übernommen. Übernommen war vielleicht zu viel gesagt. Er hatte sich anerboten mitzuhelfen. Gustafsson hatte sich gefreut. Es hatte Munkenberg keine zwei Stunden gekostet herauszufinden, dass sich die Mutter keinesfalls das Leben genommen hatte, wie der Ehemann der Verschwundenen Gustafsson gegenüber behauptet hatte. Sie war ermordet worden. Der Typ log also, weil er etwas zu verbergen hatte. Er wollte der Polizei weismachen, dass seine Frau in puncto Selbstmord vorbelastet war. Gustafsson war zu abgestumpft, um selbst die offensichtlichsten Ungereimtheiten zu bemerken. Im Grunde genommen war Gustafsson richtiggehend begriffsstutzig. Beim Bier nach der Sauna hatte er plötzlich eine ganz neue Theorie entwickelt und sich eine Stunde lang darüber ausgelassen, dass es sich auch um einen Serienkiller handeln könnte.
«Serienkiller?», fragte Munkenberg. «Und was spricht dafür?»
«Ich habe mich mit einem Kollegen darüber unterhalten. Er hat eine Menge Bücher über Jack the Ripper gelesen. Wenn man die Namen der Mädchen durchgeht, die Lander auflistet, dann könnte man meinen, dass es sich um einen Nachahmungstäter handelt.»
«Welche Namen?»
Gustafsson zog einen Zettel aus der Brusttasche. «Diese Journalistin hat sich für ihre Story mit den ermordeten Prostituierten beschäftigt. Borg und ich haben das mal diskutiert, und er hat ein paar Fragen gestellt. Also habe ich ihm das Material gezeigt, was wir von der Zeitung erhalten haben, und da fielen sie ihm auf.»
«Die Namen?»
«Ja, die Namen.» Gustafsson nickte. «Also», fuhr er fort und strich den Zettel auf der zerkratzten Tischplatte glatt. «Marie, Catrine, Elisabeth und Marianne. So hießen die Frauen von der Liste über unaufgeklärte Morde an Prostituierten. Und hier die Liste der Opfer Jack the Rippers von vor hundert Jahren: Mary Ann Nichols, Elisabeth Stride, Catherine Eddowes und Mary Kelly.» Er sah Munkenberg mit großen Augen an. «Dieselben Namen. Elisabeth Stride war noch dazu Schwedin.» Er tippte mit dem Zeigefinger auf das Papier. «Und weißt du, was das Schlimmste ist?»
«Nein.»
«Die verschwundene Journalistin heißt Annie. Weißt du, wie das fünfte Opfer von Jack the Ripper hieß?»
Munkenberg sah Gustafsson schweigend an. Er wusste, was kommen würde. Er verachtete ihn.
«Annie Chapman.»
Idioten, dachte er, während er in Annie Landers Aufzeichnungen blätterte. Er hatte sich bereit erklärt mitzuhelfen, wenn man ihm Einsicht in die Unterlagen gewährte. Er mahnte sich selbst, nicht zu viel Umgang mit Gustafsson zu pflegen. Er wollte nicht so werden wie die anderen und musste sich nach Möglichkeit distanzieren. Die effektivste Methode war vielleicht die, Gustafssons Fall zu lösen und das Resultat direkt dem Chef zu präsentieren. Am Morgen hatte Munkenberg Kay Orha vor dem Kaffeeautomaten getroffen und ihm von der Jack-the-Ripper-Theorie erzählt. Orha hörte ihm interessiert zu. Dann schüttelte er nur den Kopf. Als Munkenberg zur Pointe, dem fünften Opfer, kam, lachte Orha, bis ihm die Tränen kamen. Munkenberg verstand nicht so recht, warum, stimmte jedoch in das Lachen ein. Die anderen sahen sie nur erstaunt an. Orha wischte sich schließlich mit einer Serviette die Tränen aus den Augen und entschuldigte sich. Meinte, eigentlich sei das alles äußerst tragisch. Eine bizarre Theorie über einen so tragischen Fall, der ihn wirklich betroffen mache.
«Es freut mich, dass du dich um den Fall kümmerst, Munkenberg. Da ist er in den richtigen Händen», sagte Orha und legte Munkenberg die Hand auf die Schulter. Orha hatte sich einen Kompass auf den Unterarm tätowieren lassen. Ein Relikt aus seiner Zeit als Seemann auf den Kapverdischen Inseln.
In den richtigen Händen, dachte Munkenberg und trommelte mit den Fingern auf die Schreibtischplatte.
Weitere Kostenlose Bücher