Korrupt (German Edition)
hatte dabei das Gefühl, durch ein Zielfernrohr beobachtet zu werden.
8
Ranko saß am Steuer, Vitomir neben ihm. Das Innere des Wagens war von ebenso dichtem Nebel erfüllt wie die Abendluft. Vitomir Jozak zog an seiner Zigarette und blies Ringe in die Luft. Die Kasse klingelte, der AIK hatte das letzte Spiel gewonnen, und morgen würde ein Lastwagen mit Zigaretten und einem Riesenpaket Heroin eintreffen. Wenn alles glattging, würden sie am Jahresende sehr viel Geld verdienen. Einiges würde er in die Kasse legen, einen Teil würde er in weiteres Heroin investieren, und ein Teil war für Bestechungen vorgesehen. Zoll, Polizei, Fahrer. Je mehr Geschäfte er tätigte, desto mehr Leute musste er bezahlen. Und je größer die Geschäfte wurden, desto mehr Geld verlangten sie. Aber so sahen die Spielregeln aus, und er war ein guter Spieler. Der Bulle, den er schmierte, hatte einen gehobenen Posten bei der Norrmalmer Polizei. Vitomir erinnerte sich nicht, bei welchem Dezernat, aber das spielte auch keine Rolle. Der Bulle verfügte über viele gute Kontakte, kannte die Chefs und konnte das meiste in Erfahrung bringen. Manchmal gab er Vitomir den Tipp, sich unauffällig zu verhalten, manchmal stoppte er auch eine Aktion oder lieferte Informationen über die Konkurrenz. Für diese Dienste wurde er gut bezahlt, denn Vitomir Jozak wünschte, dass seine Freiheit dem Polizisten ein Anliegen war. Wenn er hinter Gittern saß, gab es kein Geld, und der Bursche brauchte Kohle. Er tat also alles, um behilflich zu sein. Nicht Vitomirs wegen, sondern seinetwegen. Das war ausreichend. Alle waren käuflich. Und alle unterschätzten ihn.
«Der Typ, den wir treffen wollen, ist ein Bulle», sagte Vitomir und taxierte Ranko. «Ein ziemlich hohes Tier. Er hilft uns, aber wir können ihm nicht trauen. Denk daran. Wir erzählen ihm nur Dinge, die er wissen soll. Kapiert?»
Ranko nickte.
«Gut. Ich nehm dich auch nur mit, damit er erfährt, dass du mein Bruder bist. Damit er dir auch aus Versehen keinen Ärger macht. Okay?»
«Okay.»
«Also, bleib ruhig, beobachte ihn und achte darauf, wie er auf meine Worte reagiert. Präg dir sein Gesicht ein.» Er tippte sich mit dem Zeigefinger an die Schläfe, und Ranko nickte erneut. Vitomir musterte die Passanten. «Die gleichen Kleider, die gleichen Autos, der gleiche Job», sagte er. «Da.» Er deutete auf einen Mann, der vor ihrem Auto, das am U-Bahnhof Bromma geparkt stand, die Straße überquerte. «Und auch die Häuser sehen alle gleich aus.» Als er sich die nächste Zigarette anzündete, kam der Mann, auf den sie warteten, aus der U-Bahn-Station hoch und schlug seinen Nachhauseweg ein. «Da ist er», sagte Vito und deutete auf ihn. «Der Typ in dem beigen Mantel. Fahr ihm hinterher, aber nicht zu dicht. Wenn er in die Seitenstraße abzweigt, fahren wir an ihn ran.»
Ranko ließ den Motor an, wartete, bis der Mann die Straße überquert hatte, legte den Gang ein. Sie wussten, wo der Mann wohnte, er konnte ihnen also nicht entkommen. Vitomir wollte es jedoch vermeiden, ihn im Kreis seiner Familie zu behelligen. Der Mann schob den Ärmel hoch und sah auf die Uhr. Er beschleunigte seinen Schritt.
Vito schaute auf das Armaturenbrett. Halb sechs. «Er hat sich sicher zum Abendessen verspätet.» Er lachte. Dann deutete er nach vorne. «Auf Höhe des roten Autos fährst du an ihn ran.»
Ranko gab auf den letzten Metern richtig Gas, und der Mann zuckte beim Aufheulen des Motors zusammen. Sie hielten neben ihm, Vito ließ die Scheibe runter und lächelte ihn an.
«Steig ein.»
Der Mann wirkte nicht erfreut, ihn zu sehen. Er nahm die Hände aus den Manteltaschen und ließ seine Arme seitlich herabhängen. Gleichzeitig seufzte er und blickte ins Leere.
«Mach nicht so ein langes Gesicht», sagte Vito. «Steig ein, aber dalli.»
«Ich bin spät dran. Die Kinder warten.»
«Es bricht mir das Herz.» Vitomir klopfte sich in der Herzgegend auf die Brust. «Steig schon ein, bevor dich mein Bruder im Kofferraum verstaut.»
Der Mann erstarrte, als sei er es nicht gewohnt, so angeredet zu werden. Er schüttelte den Kopf, öffnete die Tür und setzte sich auf die Rückbank.
«Fahr ein paar Mal um den Block, dann können wir ihn an derselben Stelle aussteigen lassen», sagte Vito auf Serbisch zu Ranko.
Sie fuhren los. Vito löste den Sicherheitsgurt und drehte sich zu dem Mann um, der mit verschränkten Armen hinter ihm saß. «Das hier ist mein Bruder Ranko. Ranko, das hier ist unser Freund, der
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