Korrupt (German Edition)
Uppsala übergesiedelt war. Seine Mutter hätte es gerne gesehen, wenn er Pfarrer geworden wäre. Er hatte jedoch von einem Beruf mit Macht geträumt. Seine Rachegefühle waren wie die bottnische Nacht, zäh und klebrig, und mussten ausgelebt werden, um alle Demütigungen zu verdrängen, die er in seiner frühen Jugend erlebt hatte. In der Schule in Schweden hatten alle über seine Aussprache gelacht. K statt G, krün statt grün und Krass statt Gras. Die absurden Kleider, die seine Mutter ihm aufzwang. Seine Antworten auf die Fragen des Lehrers.
«Wer ist von Gottes Gnaden der König Schwedens, Götalands und Vendlands? Kay?»
«Jesus Christus?»
Lachen, Kichern. Spott in der Pause. Das Abendgebet mit der Mutter. Rachegelüste. Er war ein paar Jahre zur See gefahren. Polizeihochschule. Jurastudium. Wieder Polizei. Er war einer der obersten Chefs der Stockholmer Polizei, aber das war seinem Büro nicht anzumerken. Auf dem Schreibtisch: Aktenstapel und eine längst vertrocknete Topfpflanze. Die Wände waren kahl und hellgelb. Keine Fotos. Keine Gemälde. Er und auch andere waren davon ausgegangen, dass er Hans Holmér als Bezirkspolizeichef ablösen würde. Aber dann hatte Sven-Åke Hjälmroth, ehemaliger Chef der Sicherheitspolizei, den Posten erhalten. Er war 67 Jahre alt. Eine politische Entscheidung, die einer Person zum Vorteil und einer anderen zum Nachteil gereichte, meinten jene, die ihn trösten wollten. Das berührt mich ebenso wenig wie Wasser einen ölverschmierten Vogel, dachte er und lächelte.
Göran Theorin, Noch-Chef des Rauschgiftdezernats im Bezirkskriminalamt, hatte gerade seinen Mantel aufgehängt und auf dem Besucherstuhl Platz genommen, als Kriminalinspektor Munkenberg an den Türrahmen klopfte. «Mist, ich wusste nicht, dass du Besuch hast», sagte er, als er sah, dass Orha nicht allein war. «Ich komme später noch mal.»
«Kein Problem. Bist du Theorin schon einmal begegnet?» Orha deutete auf seinen Gast.
«Nur kurz», erwiderte Munkenberg, lächelte höflich und schob sich über die Schwelle.
Theorin nickte reserviert und wandte sich wieder mit hochgezogenen Brauen Kay Orha zu. Dieser lächelte beschwichtigend. Er hatte Theorin an der Polizeihochschule unterrichtet, als er noch jung und unverdorben gewesen war. Seither war viel Zeit vergangen. Theorin war zehn Jahre jünger als er, durchtrainiert, sonnengebräunt und noch nicht von dem Leben gezeichnet, das sein Recht mit Wucherzinsen forderte und einen in den Polizeigriff nahm.
«Komm einfach rein, oder hast du es eilig?»
«Natürlich nicht», erwiderte Munkenberg, trat rasch ganz ins Zimmer und schloss die Tür hinter sich.
Orha merkte, dass Munkenberg geschmeichelt war. «Nimm doch Platz», sagte er und deutete auf den Stuhl neben Theorin. «Erzähl uns, was dich umtreibt.»
«Ich wollte über die Frau sprechen, die dich angerufen hat und dann verschwunden ist.»
«Und? Was gibt’s?»
«Also, irgendwie ist ihr Mann in diese Sache verwickelt. Er hat die Vermisstenanzeige aufgegeben, und ich bin mir sicher, dass er etwas zu verbergen hat. Der Diensthabende war Gustafsson.»
«Wie kommst du denn darauf?»
«Eine Frau hat sich gemeldet, weil sie von Landers Verschwinden in der Zeitung gelesen hat.»
«Und was wusste sie?»
«Sie hat Max Lander vor ein paar Jahren auf einer Party getroffen, und da war wohl was zwischen ihnen. Aber dann ist Lander gewalttätig geworden und einfach abgehauen, ohne seine Jacke mitzunehmen. Seitdem ist ihm die Frau nie mehr begegnet, hat sich aber an alles erinnert, als sie den Artikel in der Zeitung gesehen hat. Sie ist sich vollkommen sicher, dass er etwas mit dem Verschwinden seiner Frau zu tun hat.»
«Habt ihr mit ihm gesprochen?», wollte Orha wissen.
«Ja, wir haben ihn sofort vorgeladen.»
«Und? Was hat er gesagt?»
«Er hat die Geschichte zum Teil bestätigt, meinte aber, das Ganze wäre ein Missverständnis. Er war betrunken und ist plötzlich zur Besinnung gekommen. Dann ist er in Panik geraten und ohne Schlüssel und Brieftasche aus dem Haus gestürzt. Seiner Frau hat er erzählt, dass er bestohlen worden ist.»
«Ein Klassiker», murmelte Theorin.
«Und dann?», meinte Orha und lehnte sich zurück.
«Wir haben ihn etwas unter Druck gesetzt, er ist zusammengebrochen, hat jedoch nichts gestanden. Er bereut es, dass er seiner Frau nicht die Wahrheit erzählt hat. Seltsam ist auch, dass seine Schwiegermutter sich ihm zufolge das Leben genommen hat, in Wirklichkeit aber
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