Korrupt (German Edition)
damit in jedem Fall eine ankommt. Eine hierher und eine in Belgrad. Jeden Monat. Bleiben die Karten aus, fangen wir an zu suchen. Kapiert?»
Max nickte erneut.
«Findest du das gerecht?»
«Ja», antwortete er mit schwacher Stimme. Er legte eine Hand auf seinen Kehlkopf und wiederholte: «Ja.»
«Gut.» Vitomir Jozak stand auf und hielt ihm die Hand hin. «Dann sind wir uns einig.»
Max streckte die Hand aus. Sie verschwand vollkommen in Vitomirs. Nachdem Vitomir das Zimmer verlassen hatte, um mit Milan zu sprechen, erschien Avram und erklärte, sie würden Pässe mit neuen Namen erhalten. Max müsse sich keine Sorgen machen, es seien perfekte Fälschungen. Sie würden noch ein paar Tage beim Hausarzt bleiben, bis Annie sich etwas erholt habe, aber dann müssten sie los, denn überall werde nach ihm gefahndet. Man würde sie via Kopenhagen nach Amsterdam bringen, wo sie eine Weile bei Freunden von Vitomir untertauchen könnten, bis es weiterginge.
«Paris», sagte Max. «Wir wollen nach Paris.»
Avram lächelte. «Erst mal müsst ihr raus aus Schweden, und das wird nicht leicht.»
3
Munkenberg starrte auf Annie Landers letzten Notizbucheintrag. «Samstag, den 17 . Oktober, Töversta-Gutshof.» Er hatte sich die Zeit genommen, alle Aufzeichnungen durchzugehen. An ihrem letzten Eintrag störte ihn etwas. Lass gut sein und ruh dich auf deinen Lorbeeren aus, hatte sein Chef zu ihm gesagt, bevor er nach Hause gegangen war, aber Munkenberg konnte das nicht. Da stimmte etwas nicht, und das quälte ihn wie ein Juckreiz, gegen den sich nichts unternehmen ließ. Der 17 . Oktober war zweifellos ein Dienstag gewesen. Entweder hatte sich Annie Lander getäuscht, oder das Datum bedeutete etwas anderes. Da er nicht glauben konnte, dass sie sich geirrt hatte, musste es also etwas anderes bedeuten.
Er nahm ein leeres Blatt Papier und schrieb das Datum in die Mitte. Dann ergänzte er die Jahreszahlen. Letztes Jahr war der 17 . ein Montag, dachte er. Das Jahr davor war ein Schaltjahr, und der 17 . Oktober 1987 fiel in der Tat auf einen Samstag.
«Das könnte es sein», sagte er laut ins leere Zimmer. Er nahm ein neues Blatt Papier, um zu notieren, wann der 17 . Oktober tatsächlich ein Samstag gewesen war. Aber noch ehe er den Stift aufs Papier setzte, hielt er in der Bewegung inne. Er erhob sich rasch und ging zum Aktenschrank. Er zog die oberste Schublade heraus und suchte nach der Mappe, in die er die Kopie der Ermittlungsakte in dem Mord an Annie Landers Mutter gelegt hatte.
Ehe er die richtige Seite gefunden hatte, war er sicher, dass ihm die Akte bestätigen würde, dass Annie Landers Mutter am Samstag, dem 17 . Oktober, ermordet worden war, und dass sich der Platz, an dem ihre Leiche gefunden worden war, zu Fuß vom Gutshof Töversta aus erreichen ließ.
Er setzte sich mit der aufgeschlagenen Mappe auf die Schreibtischkante. Nach einer Stunde hatte sich seine freudige Erregung in ein intensives Unbehagen verwandelt. Der Empfang rief an und teilte mit, es sei etwas für ihn abgegeben worden. Munkenberg begab sich ins Erdgeschoss und erhielt einen gefütterten Umschlag ohne Absender, der eine unbeschriftete Videokassette enthielt. Irgendetwas stimmte nicht, er wusste nur nicht, was.
4
Max war vor dem Fernseher eingeschlafen, den Milan ihnen ins Zimmer gestellt hatte. Er wachte auf, weil Annie mit den Armen fuchtelte. Als er sich im Bett aufsetzte, um sie aus ihrem Traum zu wecken, schrie sie und riss die Augen auf. Max sah in ihre von Entsetzen geweiteten Augen und dachte, dass die besorgten Blicke ihrer Freunde und Kollegen nach ihrem Verschwinden auch nicht annäherungsweise an das Grauen heranreichten, das ihr Blick ausstrahlte.
Er legte ihr eine Hand auf die Stirn, und sie begann ruhiger zu atmen. Dann beugte er sich über sie zu dem kleinen Tisch neben dem Bett und reichte ihr das Wasserglas. Sie trank gierig, bis es leer war.
Während ihrer kurzen wachen Momente weinte Annie stets leise, im Schlaf hatte sie Albträume und schrie viel. Sobald sich ihr Blick für einen Moment klärte, wurde sie von einem Gefühl des Entsetzens übermannt. Milan hatte erklärt, er verabreiche Annie so viel Beruhigungsmittel, wie er verantworten könne, und Max glaubte ihm.
«Du bist gekommen», flüsterte sie, «und hast mich gerettet.»
«Was blieb mir anderes übrig?», versuchte Max zu scherzen und strich ihr vorsichtig über die Stirn. «Du weißt, wie schnell ich mich einsam fühle.»
Genau dieselben Worte hatte
Weitere Kostenlose Bücher