Korsar und Kavalier
kompromisslos schwarz wie sein Haar. Das einzig Farbige an ihm waren der funkelnde Rubin in seinem Halstuch und das blitzende Silber des reich geschmückten Degens.
Er sah genau wie das aus, was er war - ein Dieb, wenn auch ein eleganter. Mit anmutigen Bewegungen durchquerte Christian den Raum.
Der rothaarige Riese betrachtete Reeves von oben bis unten. „Also ich finde, der sieht aus wie ein Schucker.“
„Ein Schucker?“, fragte Reeves.
Der Riese schnaubte verächtlich. „Na, ein Sbirre. Ein Spitz.“
„Mein Freund Willie meint, Sie sehen aus wie ein Konstabler.“ Christian lächelte. Seine hellen grünen Augen brannten vor Neugier, als er zu Reeves herübergeschlendert kam. „Ich glaube, Willie hat’s erfasst.“
„Ich bin keineswegs ein Konstabler.“
Willie betrachtete ihn noch einmal und grinste dann selbstgefällig. „Aye. Dazu hat er vielleicht doch nicht genug Mumm.“
„Willie will damit sagen“, erklärte Christian und setzte sich an einen leeren Tisch am Feuer, „dass er glaubt, Sie hätten nicht ... “
„Ich habe schon verstanden, was Mr. William meint, Mylord.“
„Mylord?“ Christians Lächeln wurde noch breiter, sodass seine Zähne in der dunklen Taverne weiß aufblitzten. „Da liegen Sie aber ganz daneben, mein Freund, wer Sie auch sein mögen.“
„Ich liege keineswegs daneben“, erwiderte Reeves sanft. „Ich bringe Neuigkeiten. Erschreckende Neuigkeiten, fürchte ich.“
Christian erstarrte. Der Riese öffnete den Mund, doch der andere hob die Hand.
Der Riese trat unruhig von einem Bein auf das andere. „Jack?“, fragte er. „Was ist denn?“
Christian wandte seinem Gefährten das Gesicht zu. Es war vollkommen reglos. „Mein Vater.“
„Der Herr da ist dein Vater?“
„Nein. Mein Vater war ein Earl. Und jetzt ist er anscheinend tot.“ Er sah Reeves um Bestätigung heischend an. Sein Gesicht war bleich.
Reeves nickte. „Leider ja, Mylord.“
Christian schüttelte den Kopf, wie um Klarheit in seine Gedanken zu bekommen. „Das ist seltsam. Irgendwie hatte ich immer gedacht, er würde ewig leben. Wie komme ich nur auf so eine Idee?“ Er schwieg eine Weile, starrte ins Feuer, als suchte er dort etwas.
Plötzlich kam er mit einem Ruck wieder zu sich und warf Reeves einen raschen Blick zu. „Tut mir leid. Ich war in Gedanken. Wollen Sie sich nicht setzen?“ Er zwinkerte dem Schankmädchen zu, das ihnen daraufhin kichernd zwei Krüge Bier brachte. Christian gab ihr eine Münze und sah geistesabwesend zu, wie sie das Geldstück provozierend im Ausschnitt verschwinden ließ.
„Sie sind hier in der Gegend gut bekannt“, sagte Reeves höflich und setzte sich Christian gegenüber hin.
Christian drehte einen leeren Stuhl zu sich herum und stützte sich mit den Stiefeln auf der Sitzfläche ab. „Es zahlt sich aus, sich mit den Einheimischen gut zu stellen.“
Willie warf Reeves einen warnenden Blick zu. „Sam und ich sind ganz in der Nähe, direkt an der Tür.“
Christian nickte abwesend. Er wartete, bis sein Diener außer Hörweite war, dann fragte er: „Wer sind Sie?“
„Der Butler Ihres Vaters.“
„Wie haben Sie mich gefunden?“
„Das war nicht einfach. Wie alle anderen habe ich angenommen, dass Sie nach Ihrer Flucht vor dem Schiffsdienst nach London gingen, um in der Nähe Ihrer Mutter zu sein. “ „Sie starb vor meiner Ankunft. Ich wusste, dass sie krank war, hatte aber keine Ahnung, wie ernst es um sie stand.“ „Das muss ein ziemlicher Schock gewesen sein.“
Christian nahm einen Schluck aus seinem Krug. „Sie haben ja keine Ahnung.“
„Nein, Mylord. Am Anfang der Suche haben wir in jedem Waisenhaus, jeder Hafenfabrik und jeder Hafenkneipe nach Ihnen gesucht. Dann wurde uns klar, dass wir unsere Suche vielleicht zu weit unten angesetzt hatten.“
Christians Lippen zitterten leicht. „Ich war der Sohn eines Earls. Und nicht irgendeines Earls.“
„Natürlich, Mylord. Genau die Haltung Ihres Vaters. Sobald mir das klar geworden war, dauerte es nicht lange, ehe ich die erste Spur hatte. Hier eine Spur, da eine Information.“ Reeves begegnete Christians Blick. „Sie haben den Namen und den Titel Ihres Vaters in diversen Variationen benutzt. In Bainbridge haben Sie sich Viscount Westerville genannt. In Bath Lord Rochester Stuart.“
„Ein ganz gewöhnlicher Trick. Wenn man eine andere Identität annimmt, sollte man immer einen Namen wählen, an den man sich im Ernstfall auch erinnert.“
„Ein sehr guter Ratschlag, Mylord.
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