Korsar und Kavalier
vielleicht nicht mehr gibt.“
Dieser Gedanke brachte ihn aus der Fassung, gelinde gesprochen. Tristan nahm seinen Stock. „Was auch geschehen ist, ich will ihn in meinem Leben zurückhaben.“
Reeves verneigte sich. „Ich lasse es Sie wissen, sowie ich von ihm höre, Mylord.“
An der Tür klopfte es, und Reeves öffnete sie. Draußen stand Stevens. Er strahlte, als er Reeves sah. „Na so was! Jemand macht mir die Tür auf, wenn ich klopfe! “ „Erstaunlich, nicht wahr?“, meinte Reeves und schloss die Tür.
„Donnerlüttchen, Käpt’n!“ Stevens schüttelte den Kopf. „Als Nächstes ziehen Sie sich noch Weiberröcke an und binden sich eine Schleife ins Haar!“
Tristan hob die Brauen.
Der Erste Offizier errötete. „Ich hab es nicht so gemeint, Mylord! Ist mir nur so rausgerutscht, ich weiß doch, dass Sie nie Weiberröcke und Schleifen anziehen würden! Ich hab doch nur gemeint ... “
„Ich weiß, was Sie gemeint haben“, knurrte Tristan. Stevens seufzte. „Ich war einfach noch ganz atemlos von Mrs. Thistlewaite in der Bibliothek. Wunderschön sieht sie aus, wunderschön!“
„Mrs. Thistlewaite ist immer wunderschön.“ Das entsprach nur der Wahrheit. Selbst wenn ihre Nase rot war vor Kälte, ihr Haar windzerzaust und ihre Kleidung etwas zerknittert von ihrem Marsch zu seinem Cottage, sah sie einfach zum Anbeißen aus.
„Allerdings, sie ist eine prima Frau“, stimmte Stevens zu. „Aber heute Abend sieht sie wie eine richtige Dame aus. Sie werden alle Hände voll zu tun haben, um die ganzen Beaus davon abzuhalten, sich beim Tanzen auf sie zu stürzen, da gehe ich jede Wette ein.“
Tristan runzelte die Stirn. „Beaus?“ Fragend blickte er zu Reeves.
Der Butler nickte. „Das ist doch schließlich Sinn und Zweck einer Abendeinladung. Ein gesellschaftlicher Anlass, um Ausschau nach einer Ehefrau zu halten ... oder einem Ehemann.“
Das hörte Tristan gar nicht gern. Er fragte sich, ob der Arzt wohl auch da wäre, um Prudence anzuschmachten und ihn in den Wahnsinn zu treiben. „Wer auch da ist, sie sollen mir bloß Prudence in Ruhe lassen.“
Reeves ließ sich das durch den Kopf gehen. „Außer natürlich, sie möchte es. Dann dürfen Sie sich wirklich nicht einmischen.“
„Einmischen? Ich werde da sein, um sie zu beschützen!“ „Mrs. Thistlewaite ist kein Kind mehr, Mylord. Wenn sie Sie nicht um Unterstützung bittet, können Sie gar nichts tun. Ich hoffe nur, dass sie jemanden findet, der sie glücklich macht. Sie ist so eine wunderbare Frau.“
Zu Tristans Verärgerung nickte Stevens eifrig. „Sie ist ein prima Frauenzimmer und hübsch für zehn. Wahrscheinlich gibt es jede Menge Herren, die gern mit ihr ... “
„Es reicht!“ Tristan bedachte Stevens und Reeves mit zornigen Blicken. „Ich will kein Wort mehr hören.“
Reeves verbeugte sich. „Wie Sie wünschen, Mylord.“
Mit finsterer Miene ging Tristan zur Tür hinaus und nach unten.
Verdammt, was fiel Stevens ein, Prudence zu unterstellen, dass sie mit irgendwelchen Gästen flirten würde? Zu der Sorte Frau gehörte sie nicht. Er dachte daran, wie sie in seiner Bibliothek vor ihm gestanden hatte, mit offenem Haar, die Lippen von seinen Küssen geschwollen - nun ja, vielleicht gehörte sie ja doch zu dieser Sorte Frau, aber nur mit ihm, verdammt!
Sie gehörte ihm. So lange, bis er mit ihr fertig war oder sie mit ihm. Und er würde keinem anderen erlauben, bei ihr vor Anker zu gehen. Wenn irgendein betrunkener Steuermann damit liebäugelte, bei Prudence an Deck zu springen, würde er den Kerl schon eines Besseren belehren, nötigenfalls auch mit der Pistole.
Mit gewittriger Miene erreichte er den Fuß der Treppe. Zum Glück hatte Stevens erwähnt, dass sich dergleichen Kaperversuche zutragen könnten, andernfalls wäre Tristan vielleicht überrumpelt worden.
Er ging durch den schmalen Flur, der nur beleuchtet wurde von dem Licht, das aus der Bibliothek in die Düsterkeit vordrang, ein Leuchtfeuer an finsterem Gestade. Vor weniger als einem Monat war es hier vollkommen friedlich gewesen, er hatte zugesehen, wie sein Leben an ihm vorüberzog, und nur die Sorge um seine Männer veranlasste ihn jeden Morgen, aus dem Bett zu steigen. Nun waren die Dinge irgendwie klarer ... und hoffnungsvoller.
Tristan blieb vor der Bibliothek stehen und sah an sich herab. Seine Kleidung war weicher, als er es gewohnt war, aber auch enger. Er rückte zum x-ten Mal sein Krawattentuch zurecht, fuhr mit dem Finger hinein, um es
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