Korsar und Kavalier
bitte erklären Sie es ihm!“
Reeves sah Tristan nachdenklich an. „Vielleicht hat Seine Lordschaft recht. Mal sehen, ob sich dieses Versehen korrigieren lässt.“ Er begegnete Prudences erstauntem Blick. „Es wäre tatsächlich gut, wenn Sie an seiner Seite weilten, Madam.“
Tristan verschränkte die Arme und lehnte sich gegen seinen Schreibtisch. Er sah weitaus attraktiver und männlicher aus, als nötig gewesen wäre. „Na also, du und ich, wir gehen zusammen zu der Dinnergesellschaft.“ In seinem Blick lag ein Versprechen. Es verhieß Schelmerei und Verführung. „Wir werden uns beide gut amüsieren. Hervorragend amüsieren.“
Und genau davor, dachte Prudence, habe ich Angst.
14. KAPITEL
Gesellschaftliche Ereignisse sind der Prüfstein für die Effizienz des Kammerherrn. Ist sein Dienstherr gut gekleidet? Befinden sich auf dem Leder etwa Fingerabdrücke? Flecken auf dem Samt? Falten in der Weißwäsche? Dies sind die Fragen, nach denen ein Kammerherr beurteilt wird.
Leitfaden für den vollkommenen Butler und Kammerherrn von Richard Robert Reeves
Am Tag der Dinnergesellschaft kam Prudence um Punkt sieben Uhr im Cottage des Captains an. Es war schon dunkel, ein leiser Donner grollte, und in der Feme zuckten Blitze. Sie blieb auf der Türschwelle stehen und drehte sich noch einmal um, um das lebhafte Schauspiel zu betrachten, bewunderte die weißen Lichtblitze über der schwarzen See.
Sie liebte Gewitter. Als sie nach Devon gezogen war, erschöpft von all den gewichtigen Problemen, die Phillips Tod und Beerdigung begleitet hatten, hatte sie das Wetter zuerst als bedrückend empfunden. Der Himmel war ebenso dunkel und grau wie ihre Stimmung. Doch allmählich hatte sich ihre Einstellung geändert.
Nun hieß sie den reizbaren Wind willkommen, den stolzen Regen. Die Wildheit ließ sie spüren, dass sie am Leben war. Genau wie der Earl. Sie musste über ihren eigenen Unsinn lächeln. Entschlossen wickelte sie den Mantel enger um sich, reckte das Gesicht in den Wind und sog die eiskalte Luft in die Lungen.
Es war befreiend, berauschend, aber auch ziemlich kalt. Sie war froh, dass der Earl sie mit der Kutsche hatte abholen lassen, sonst hätte sie die Naturgewalten vielleicht nicht so genießen können. Mit leisem Seufzen wandte sie sich zur Tür und klopfte an.
Fast sofort machte Stevens ihr die Tür auf. „Da sind Sie ja, Madam. Ich hab auf Sie gewartet!“
Ohne zu fragen, half er ihr aus dem Mantel und trat dann einen Schritt zurück, als er ihr Kleid sah. „Kreuzwetter, Madam! Sie sehen heute Abend ja wirklich fesch wie ein Silberpenny aus!“
Prudence errötete und strich sich unbewusst die blaue Seide glatt. Das Kleid gehörte eigentlich ihrer Mutter und war deren beste Robe. Prudence war überrascht gewesen, als ihre Mutter es ihr aufs Zimmer gebracht hatte.
Es war aus glänzender blauer Seide unter weißem Tüll gearbeitet und mit blauen und rosa Röschen mit winzigen grünen Blättern besetzt. Der Rock war tief angesetzt. Das weiße Netzgewebe war in der Mitte geschlitzt, sodass die blaue Seide zur Geltung kam. Die Ärmel waren dreiviertellang und mit einem weißen Band geschmückt.
Es war ein wunderschönes Kleid. Allerdings hatte Prudence noch nie einen so tiefen Ausschnitt getragen, und auch wenn er mit weißer Spitze verziert war, diente das doch eher dazu, das Dekollete zu betonen, als es zu kaschieren.
Sie hatte ihrer Mutter vorgeschlagen, sie könnte doch noch etwas Spitze in den Ausschnitt nähen, doch ihre Mutter hatte die Idee abgeschmettert, indem sie erklärte, dass Prudence jetzt ja Witwe sei und längst nicht mehr in der ersten Jugendblüte stehe.
Prudence runzelte die Stirn, als sie sich in dem Spiegel in der Eingangshalle sah. Vielleicht hatte ihre Mutter recht, Prudence war schließlich einunddreißig - entschieden zu alt für mädchenhaft-zimperliche Anwandlungen und falsche Bescheidenheit. Sie sollte lieber das genießen, was ihr gegeben war.
„Sie sehen aus wie eine Fregatte auf spiegelglatter See, wenn der Vollmond scheint“, erklärte Stevens poetisch und betrachtete sie voll Bewunderung. „Der Käpt’n wird sich freuen, wenn er sieht, wie fein Sie sich gemacht haben.“ Der Butler hängte ihren Umhang am Haken an der Tür auf. „Danke, Stevens. Wo ist der Earl denn?“
„In seinem Zimmer. Reeves hilft ihm beim Anziehen. Der Käpt’n - ich meine, der Earl - sieht auch aus wie aus dem Ei gepellt.“ Er führte sie den Flur hinunter. „Der Käpt’n -ich
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