Korsar und Kavalier
meine, der Earl - hat sich ein bisschen gegrault vor dem heutigen Abend, und ich dachte, vielleicht geht es Ihnen ja ähnlich, und so hab ich den Sherry rausgestellt, für den Fall, dass Sie ein Schlückchen trinken wollen, um sich aufzumuntern.“
„Danke, Stevens. Ein Gläschen Sherry ist jetzt genau das Richtige.“
Stevens legte den Finger an die Nase und nickte weise. „Ich weiß so was immer im Voraus, müssen Sie wissen. Das ist eine Gabe. Meine Mum konnte das auch.“
„Nun, was für Geister es auch waren, die Ihnen etwas ins Ohr geflüstert haben, ich bin froh, dass sie es taten.“
Mit stolzgeschwellter Brust öffnete Stevens ihr die Tür zur Bibliothek, trat zur Seite und ließ sie ein.
Prudence fielen all die positiven Veränderungen auf, die Stevens’ Manieren seit ihrer ersten Begegnung erfahren hatten, als sie gekommen war, um sich wegen des Schafes zu beschweren. Komisch, bisher war es ihr gar nicht aufgefallen, aber seit sie den Earl unterrichtete, war kein Schaf mehr über das Gartentörchen gesprungen. Wirklich seltsam ...
„Hier ist der Sherry. Ich hab auch ’nen Schluck probiert, aber mir ist er ein bisschen zu süß.“ Stevens goss ihr ein Glas ein. „Der Käpt’n - ich meine, der Earl - wird unten sein, sobald Master Reeves ihn überredet hat, die rosa Weste anzuziehen.“
Prudence nahm das Glas vom frischgebackenen Butler entgegen. „Rosa?“
„Für mich und den Käpt’n - ich meine, den Earl - hat es ausgesehen wie Rosa, aber Reeves meinte, nein, das wär kein Rosa. Er hat es ,Flohfarben genannt, aber das kann ich mir gar nicht vorstellen, erst wird man von den Biestern gebissen, und dann nennt man eine Weste nach ihnen! “
Sie hätte sich beinah an ihrem Sherry verschluckt. „Das tut mir leid. Aber ich glaube, Flohfarben ist eine sehr modische Farbe und wird in den höchsten Kreisen getragen.“ „Aye, schon möglich. Aber ob mit oder ohne Floh, die Weste ist rosa, und Rosa ist keine Farbe für einen Mann, vor allem nicht für einen Mann wie den Captain. Ist fast so, als würde man aus einem herrlichen Hengst einen Wallach machen.“ Stevens straffte die Schultern. „Und apropos, ich glaube, ich schau besser mal nach, ob Reeves Hilfe braucht. Benötigen Sie noch etwas, bevor ich Sie hier sitzen lass?“
Lächelnd schüttelte Prudence den Kopf. „Stevens, Sie sind ja wirklich schon ganz der Butler geworden. Sie klingen genau wie Reeves.“
Stevens strahlte über beide Wangen. „Finden Sie wirklich? Er hat mir schon ’ne Menge beigebracht, obwohl das eine ganz schöne Last ist, wenn man immer alles falsch macht.“ „Das glaube ich gern“, murmelte Prudence. Sie sah auf die Uhr auf dem Kaminsims. „Hoffentlich braucht der Earl nicht mehr allzu lange, sonst kommen wir zu spät.“
Stevens hob die Hand. „Keine Angst! Ich mache ihm schon Feuer unter dem Hintern! Warten Sie nur, bis Sie den Captain in seinen neuen Kleidern sehen, damit werden ihm alle Damen nachlaufen! “ Stevens schien dieser Gedanke sehr zu faszinieren. „Vielleicht findet er beim Squire ja sogar eine Frau, die er heiraten kann.“
Prudence verspürte einen Anflug von Ärger, der ihr die gute Laune gründlich verdarb. „Wir gehen nicht deswegen zu der Dinnergesellschaft, damit Seine Lordschaft eine Frau findet.“
„Warum nicht? Jetzt hat er doch einen Titel, oder? Und Geld, wenn er diese Treuhänder hinters Licht führen kann. Warum sollte er sich da keine Frau holen? Er wird jemanden brauchen, mit dem er all das Geld ausgeben kann.“ Prudence wusste tausend verschwommene Gründe, die gegen diesen Plan sprachen, konnte aber keinen davon aussprechen. Zum Glück fiel Stevens ein, dass er ja eigentlich zu Reeves’ Unterstützung eilen wollte. Er verbeugte sich, schlitterte aus dem Raum und überließ sie ihren Gedanken.
Prudence nahm noch einen Schluck Sherry. Stevens hatte recht, vielleicht sollte Tristan wirklich daran denken, sich eine Frau zu suchen. Sobald sie seine rauen Kanten geglättet hatte ... Sie hielt inne und stellte sich vor, wie der Earl eine andere Frau anlächelte. Wie er eine andere Frau festhielt. Wie er sie küsste, genauso wie er sie geküsst hatte ...
„Ach, zum Kuckuck“, schimpfte sie, drehte sich um und blickte zur Tür. Plötzlich dröhnte ihr der Kopf. Welche Frau hier am Ort würde wohl etwas mit dem Earl zu tun haben wollen? Der Gedanke ließ sie innehalten. Lieber Gott, alle natürlich.
„Mit dem Earl“, erinnerte sie sich. Tristan war in der Tat ein
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