Kosaken Liebe
den Krummdolch aus dem Gürtel und drückte ihn gegen ihre Brust.
»Er wird mein Liebhaber sein, wo ich auch liege!« sagte sie hart, aber so leise, daß es nur Muschkow hören konnte. »Ein eifersüchtiger Liebhaber, Iwan Matwejewitsch!«
Muschkow seufzte und drehte sich weg. Einen neuen Dolch zu besorgen war einfach. Es ritten vierzig Packpferde mit, beladen mit Waffen, Munition und Verpflegung. Man litt keinen Mangel. Nur, daß Marina begann, ihn Stück für Stück zu erobern und zum Narren zu machen, das bohrte in ihm und raubte ihm die Ruhe. Ein paar Stunden erst kenne ich sie, und was ist aus mir geworden? dachte er immer wieder. Dieses Nowo Orpotschkow hat der Teufel gebaut!
Er horchte auf Marinas Atemzüge und war plötzlich nur noch glücklich, daß er neben ihr lag.
Alexander Grigorjewitsch Lupin erkannte sein Töchterchen sofort, als es in Männerkleidern von einem Kosaken aus dem rauchenden Dorf getrieben wurde. Welcher Vater erkennt nicht sein Fleisch und Blut, auch wenn es sich noch so sehr verändert hat?
Sie lebt, dachte er, aber das ist nur ein Aufschub. Gleich wird man sie hängen, und ich muß zusehen, ohne es verhindern zu können. Doch sie wird wie eine echte Lupin sterben. Gott segne dich, mein Töchterchen. Der Himmel ist dir offen …
Und so lag er in der Dunkelheit im Gras, starrte hinüber zu den Kosaken und wartete, daß man Marina an einem der Kirschbäume aufknüpfte. Und so, auf die Erde gepreßt, erlebte Lupin mit maßlosem Staunen, wie sein Töchterchen auf einem Kosakenpferd davongaloppierte, aber kurz darauf zurückkam und einen Streit mit dem Anführer begann. Sie ist verrückt geworden, dachte Lupin. Gott im Himmel, das brennende Dorf hat ihr das Gehirn ausgetrocknet. Sie hat ein Pferd, galoppiert los – und kommt zu den Kosaken zurück! Ich armer Vater!
Lupin blieb liegen. Es gab keine Möglichkeit, an seine Tochter heranzukommen. Später lag sie an einem der Feuer mitten unter den Kosaken, und er lag weit entfernt im Schatten der Nacht und zerquälte sich den Kopf.
Erst gegen Morgen, als alle Kosaken tief schliefen, kroch er in einem Bogen in das vernichtete Nowo Orpotschkow, und es gelang ihm, bis in die Kirche zu kommen.
Hier schnarchte vor der Ikonostase ein fremder Pope in Kosakenhosen und Stiefeln, und es roch bestialisch nach Schnaps in dem heiligen Raum. Der einheimische Pope saß erschüttert auf den Stufen zum Altar und stierte vor sich hin. Als er Lupin durch die Tür kriechen sah, hob er die rechte Hand und segnete ihn.
»Väterchen, ich weiß mir keinen Rat!« flüsterte Lupin und betrachtete den Kosakenpopen ängstlich.
»Ich auch nicht«, antwortete der Pope. »Das Firmament beginnt zu schwanken. Die Ordnung des Himmels löst sich auf.« Er zeigte auf den schnarchenden Kollegen und schüttelte dann stumm den Kopf.
»Der Himmel ist weit weg«, sagte Lupin. »Aber meine Tochter Marina ist nah. Es scheint so, als wollten die Kosaken sie mitnehmen.«
»Gott sei bei ihr«, meinte der Pope schlicht.
»Sicherer ist, ich bin bei ihr«, entgegnete Lupin, der Vater. »Gott wäre überlastet damit. Ich werde den Kosaken nachreiten und Marina irgendwo, irgendwann und irgendwie herausholen. Wie lange es dauert, weiß ich nicht. Ihr werdet Nowo Orpotschkow ohne mich wiederaufbauen müssen.«
»Ich verspreche es dir, Alexander Grigorjewitsch«, sagte der Pope feierlich.
»Dann segne mich, Väterchen …« Lupin kniete nieder, und während der betrunkene Kosakenpope wie hundert Ochsen schnarchte und ab und zu einen lauten Wind streichen ließ, sprach der Priester das Gebet des großen Abschieds und schlug dreimal das Kreuz über Lupins gesenktes Haupt.
Beim Morgengrauen ritten die Kosaken weiter. Es waren jetzt 541 Mann.
Die Bauern, die Weiber, Kinder, Greise und Kranke sahen es vom Ufer der Wolga aus. Sie hatten es nicht verlassen, und es war kein Kosak dorthin gekommen, obgleich es nur ein paar hundert Meter entfernt war. Die Bewohner von Nowo Orpotschkow falteten die Hände und bedankten sich bei Gott, daß alles so gnädig verlaufen war.
Als die Kosaken in einer Staubwolke verschwunden waren, löste sich von der allein noch aufragenden Kirche ein einzelner Reiter und folgte ihnen. Der Pope stand in der Kirchentür und hob die Hand. Sie war leer, denn das dazugehörige Kreuz hatte ihm sein Kollege abgenommen.
Mein Töchterchen ist das einzige, was ich auf der Welt noch habe, dachte Lupin und starrte auf die Staubwolke am Horizont. Larissa, mein Weib, ist vor
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