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Kosaken Liebe

Kosaken Liebe

Titel: Kosaken Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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reiten wir zurück nach dem neuen Nowo Orpotschkow.
    Er drängte sich zur Tränke, bezwang sich, bei so naher Begegnung mit den Kosaken nicht auszuspucken, und wartete dann etwas abseits am Kama-Ufer. Marina stand nun mitten in der Pferdeherde im seichten Wasser. Ein Trampeln, Schnaufen und Schmatzen war das, ein Wiehern und Prusten, daß man einen Kanonenschuß kaum gehört hätte. Sechshundert Pferde können wohl einen Höllenlärm veranstalten.
    Trotzdem versuchte es Lupin mit dem schrillen Pfiff, den man in ganz Nowo Orpotschkow kannte und den niemand überhört hätte. Er steckte dazu zwei Finger in den Mund und hui – flog der Ton heraus! Viele hatten das schon versucht, aber es war immer nur ein klägliches Pfeifen geworden. Nur dem Popen gelang es einmal, als er heimlich hinter der Ikonostase übte … ein gellender Ton, bei dem ein altes Mütterchen, das gerade vor dem heiligen Josef betete, ohnmächtig umfiel, weil es glaubte, der Heilige hätte gepfiffen. Von da ab stellte der Pope seine Übungen ein.
    Lupin pfiff also, und ob es ein Wunder war oder ob der Wind günstig stand, ob es so etwas wie das Finden zweier Seelen gibt – jedenfalls drehte sich Marina Alexandrowna herum und sah den Mann auf dem Ufer an.
    Lupin winkte verstohlen und nahm seine Mütze ab. Er zeigte seine eisgrauen stoppeligen Haare.
    Er sah, wie Marina zusammenzuckte, wie ihre kleine Hand zum Herzen fuhr, wie sie sich mehrmals umblickte und sich dann langsam, damit es nicht auffiel, mit ihrem Pferd durch die Masse der anderen Pferdeleiber drängte und zu ihm hinüberkam.
    Ein paar Meter vor Lupin sprang sie ab, ließ das Pferd stehen und lief ihm entgegen.
    Lupin atmete rasselnd. Mein Gott, betete er, laß mein Herz nicht stillstehen vor Freude! Gönn mir noch diese eine Stunde des Wiedersehens. Marina, mein Töchterchen! Aber er war wie gelähmt, stand da und sah Marinas kindliches, aber doch schon fraulich werdendes Gesicht wie aus einem Nebel auftauchen. So lange bin ich geritten, Gott, dachte er, so lange … und jetzt muß ich sterben. Hundertmal habe ich auf dieses Wiedersehen gehofft, und jetzt falle ich gleich um wie ein Ochse, den der Schlachthieb getroffen hat. Marina, mein Töchterchen!
    »Väterchen …«, sagte sie, als sie vor ihm stand. Sie konnte ihn nicht umarmen, nicht einmal anfassen; sie war ja ein Kosak.
    »Mein Herzchen …«, stammelte Lupin. Nach diesen zwei Worten lichteten sich die Nebel, er sah Marina klar vor sich und lebte weiter. Wunder über Wunder! »Mein Töchterchen! Gut siehst du aus als Kosak.«
    »Mein Gott, wo kommst du her, Vater?«
    »Ich bin mit euch gezogen, die ganze Zeit«, stammelte Lupin. »Ich war immer bei dir, Marinuschka. Du warst nie allein. Dein Väterchen war ständig um dich.« Er rührte sich nicht, und wer die beiden von weitem sah, mußte annehmen, daß dieses Kosakenbürschchen sich den Alten gegriffen hatte und streng verhörte. Muschkow war noch bei Jermak zur Besprechung, die anderen kümmerten sich nicht weiter umeinander, sie hatten ihre Pferde.
    »Den ganzen Weg. O Väterchen!« Ihre Augen wurden feucht. Sie senkte den Kopf und nagte an der Unterlippe. »Sie haben mir gesagt, du seist tot.«
    »Wer hat das gesagt?«
    »Die Kosaken. Ich habe nach dem Dorfältesten gefragt, und sie haben gelacht und geschrien: ›Der? Den haben wir in seinem Dorf gebraten!‹ Warum sollte ich das nicht glauben? Unser Dorf verbrannte, und ich war sicher, daß du in den Flammen warst. Ich wäre auch verbrannt, wenn er nicht auf den Gedanken mit den Männerkleidern gekommen wäre …«
    »Wer?«
    »Iwan Matwejewitsch Muschkow.«
    »Ein Kosak?«
    »Jermaks Freund und Stellvertreter.«
    »Einer dieser Blutsäufer hat dich gerettet?« Lupin fuhr sich mit beiden Händen durch die Haare. »Was hat er dir angetan, mein Töchterchen? O Herr im Himmel, was hat sie gelitten?«
    »Er hat mir nichts getan. Er hat mir das Leben gerettet.«
    »Ohne …«, fragte Lupin gedehnt.
    »Ohne, Väterchen.«
    »Sicherlich ein Kosak, dem sie es bei einer Strafexpedition abgehackt haben.«
    »Ich weiß es nicht, Väterchen, aber ich nehme es nicht an.«
    »Wie es auch sein mag …« Lupin sah sich um. Anscheinend beachtete sie niemand. »Wenn wir uns jetzt blitzschnell ins Gras fallen lassen und die Böschung hinabrollen zu den Büschen dort, wird es keiner sehen. Dort verstecken wir uns bis zur völligen Dunkelheit.« Er blickte über die Kama. Der Tag verglomm mit einem milden Abendrot. Das Land wurde weich und

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