Kosaken Liebe
Osterkreuz. »Deine säuischen Schimpfworte kenne ich jetzt alle! Aber ich beherrsche noch mehr!«
»Einen Rat nur, Väterchen.« Muschkow stand so demütig da, daß der Pope resignierend die Schultern hob.
»Ich höre …«
»Bestehe ich aus zwei Teilen, Väterchen, schief zusammengeleimt?«
Der Kosakenpope Oleg Wassiljewitsch starrte Muschkow zuerst entgeistert an. Dann erinnerte er sich, daß sich Iwan Matwejewitsch seit dem Aufbruch aus Blagodornje sehr verändert hatte. Es war, als wenn sein Hirn verdunstete.
»Der Leim ist gut«, sagte der Pope väterlich. »Das allein ist wichtig.«
»Und das Schiefe?«
»Solange du kein Stuhl bist, von dem man dauernd herunterrutscht, läßt es sich damit leben.«
»Ich bin kein Stuhl, Väterchen.«
»Dann sei von Gott gesegnet!« Der Pope trat Muschkow gegen das Schienbein, und Iwan Matwejewitsch ging, nur zum Teil getröstet, ins Lager zurück.
Marina schlief fest. Muschkow beugte sich vorsichtig und leise über sie und betrachtete sie liebevoll. Ihre Lippen waren ein wenig geöffnet, und der Atem pfiff leise durch ihre weiß schimmernden Zähne. Wie schön sie ist, dachte er, wie zart! Verflucht, ich muß sie morgen verprügeln, um auf andere Gedanken zu kommen.
Am großen Kama-Bogen bei Tschjelny gelang es Lupin endlich, seine Tochter zu sehen. Und nicht nur zu sehen, sondern auch zu sprechen!
Es war der 14. Juni 1579, und wenn Lupin einen Kalender gehabt hätte, würde er dieses Datum bestimmt mit roter Farbe – und sei's mit seinem eigenen Blut geschrieben – umrahmt haben. So konnte er nur vor Glück weinen, was nach dem höllischen Zug, den er hinter sich hatte, auch schon ein Wunder war.
Die Kosaken lagerten an der Kama. Jermak und seine Unterführer berieten seit Stunden über die Zukunft. Zum erstenmal hatten sie jetzt genaue Vorstellungen, wer die Stroganows waren. Was die drei Boten ihnen erzählt hatten, klang zu phantastisch, um es zu glauben. Nun aber hörten die Kosaken die Bauern an, und die kannten die Stroganows genau. Wer an der Kama, wer weiter hinauf im Permer Land wußte nicht, wer die Stroganows waren?
Der Zar ist weit, aber ein Stroganow ist überall … Das war eine Weisheit, mit der man leben mußte, und man lebte gut dabei. Die Udmuten und Baschkiren, die diese Gebiete besiedelten, hatten zuerst mit den Waffen gerasselt, als Großväterchen Anika Stroganow das Land vom Zaren geschenkt bekam. Es war ein Geschenk, das leicht zu machen war, denn Iwan IV. gehörte es nicht. Es gehörte ihm erst, als Anika Stroganow an der Kama auftauchte und allen erzählte, der große Weiße Zar im fernen Moskau schütze jetzt alle Menschen durch ihn, den Stroganow. Und damit begann Anika, das Land und die Wälder auszubeuten. Er schloß Verträge mit den Bewohnern, die nicht lesen und schreiben konnten. In den Verträgen stand, daß das Permer Land und alles, was links und rechts der Kama liegt, nun zu Moskau gehöre und Stroganow alle Rechte darin habe.
Zuerst war man nachdenklich, dann griff man, wie gesagt, zu den Waffen. Aber Anika Stroganow war kein Mensch, der ein Land mit der Keule in der Hand erobert. Er bevorzugte die friedliche und damit erfolgreichere Aussprache: Er ließ die Stammesfürsten zu sich kommen, zeigte ihnen sein neues, prächtiges Haus, das nach Moskauer Vorbild gebaut und eingerichtet war. Beeindruckt von dem Prunk und den Worten: »So werdet ihr auch einmal leben!« ließen sie sich allerlei Geschenke geben und sagten nachher zu den Leuten: »Dieser Stroganow ist ein feines Herrchen, und er besitzt viel Geist. Er wird uns alle glücklicher machen!«
Im Prinzip stimmte das, und es hatte sich in den vergangenen Jahren auch gezeigt, daß man mit den Stroganows ideenreiche Köpfe im Land hatte. Sie bauten Privatkreml, in die man sich bei Überfällen von Räubern oder anderen umherstreunenden Völkern flüchten konnte; sie hatten eine kleine, aber gut ausgerüstete Privatarmee, die manchmal nur zu spät kam; und sie zahlten vor allem gute Preise für die Felle, Tiere und Fische. Sie errichteten Handelsstationen und führten einen festen Fahrplan für die Aufkäuferkolonne ein. Man konnte sich darauf verlassen wie auf den Mond: Stroganows Beamte – Anika nannte sie tatsächlich Beamte! – erschienen pünktlich. Was das im riesigen weglosen Rußland bedeutete, begriff jeder, denn man lebte auf diesem Boden und kannte alle Tücken der Natur.
So waren eigentlich auch jetzt, unter Semjon Stroganow und seinen beiden Neffen Nikita
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