Kosaken Liebe
Kama fand, ließ Jermak die beiden Schuldigen suchen und, als man sie gefunden hatte, mit Stricken umwickeln und in einen Sack stecken.
Was dann geschah, machte selbst den wildesten Kosaken stumm.
Schon seit zwei Tagen schaukelten am Ufer der Kama zwei Flöße mit dicken Tauen an Holzpflöcken festgebunden. Ganz einfache Flöße aus Rundhölzern waren es, keine handwerklichen Kunstwerke, nicht einmal für eine Flußfahrt geeignet, denn die Stämme waren nur lose miteinander verschnürt. Jede größere Welle mußte sie auseinanderreißen. Jermak, der den Bau angeordnet hatte, sagte zu seinen Zimmerleuten, die den Bau ausführten: »Ich will auf den Flößen nicht wegschwimmen! Sie haben andere Aufgaben.«
Die ahnte man, als auf den Flößen eine Art Galgen errichtet wurde, ein Balken mit einem Querholz und einem dicken Strick daran. Muschkow zog ein nachdenkliches Gesicht, und als Marina ihn fragte, antwortete er dunkel: »Seit Jahren kenne ich Jermak. Er wird seinen Grund haben! Er tut nichts ohne Überlegung.«
Am Morgen nach dem Urteilsspruch des Kosakengerichts, dem auch der Pope Oleg Wassiljewitsch Kulakow angehörte – er segnete die beiden Verurteilten erst, dann spuckte er sie an –, ließ Jermak alle Kosaken sich am Ufer der Kama versammeln. Auch aus Orjol war eine Menge Menschen herübergekommen, Bauern und Handwerker, Angestellte der Stroganows, und als Semjon Stroganow dann selbst erschien, begleitet von seinen Neffen Nikita und Maxim, wußte man, daß sich am Ufer der Kama Großes vollziehen würde.
Auf einem Karren wurden die beiden Mörder herangeschafft. Sie steckten schon in viel zu großen Säcken, barhäuptig, die Schädel kahlrasiert, bewegungslos verschnürt wie zwei Bündel. Mit entsetzten Augen starrten sie auf ihre Kameraden und die beiden Flöße, die träge im Wasser schaukelten.
Maxim Stroganow ritt an Jermaks Seite und beugte sich zu ihm hinüber. Seine Lippen bebten. Man war in Rußland nicht kleinlich, wenn es galt, Bestrafungen durchzuführen. Wer sein Leben verlieren sollte, dem wurde es genommen. Niemand empfand etwas dabei, daß man jemanden aufhängte, enthauptete, vierteilte, blendete, entmannte, die Zunge und die Ohren abschnitt oder, an ein rasendes Pferd gebunden, zu Tode schleifte. Man sah dem allem zu und lobte Gott, daß man selbst nicht an Stelle des Delinquenten war. Verurteilt zu werden, war einfach – es gab tausend und mehr Möglichkeiten, den Mächtigen zu mißfallen. Aber was jetzt am Ufer der Kama stattfinden sollte, betrachtete selbst ein Stroganow mit Schaudern.
»Du brauchst eine harte Hand, das ist mir klar«, sagte Maxim Stroganow zu Jermak Timofejewitsch. »Aber es genügt, wenn du die beiden Männer aufknüpfst.«
»Ich töte keinen Freund.« Jermak blickte mit zusammengekniffenen Augen auf die Verurteilten. »Wir Kosaken sind alle Freunde und Brüder. Aber auch du weißt, was es heißt, über fünfhundert verschiedenen Köpfen das gleiche Denken beizubringen. Nein, ich töte keinen Freund.«
Muschkow und vier andere Kosaken standen mit auf dem Karren, der die in den Säcken steckenden Mörder bis zum Ufer brachte. Dort wurden die Verurteilten gepackt und hinabgehoben. Dann begannen Muschkow und seine Helfer die Säcke mit Ufersand zu füllen. Bis an die Hälse der Gebundenen wurden die Säcke vollgestopft. Danach trugen je vier Kosaken, ächzend unter der Schwere der Last, die Verurteilten auf die Flöße und banden sie an den Stricken der Galgen fest.
»Macht die Flöße los!« schrie Jermak.
Der Kosakenpope begann laut zu singen, seine tiefe Stimme war überall hörbar, denn lähmendes Schweigen lag über den tausend Zuschauern. Nur ein leise rauschender Wind über allem war zu vernehmen, aber es war kein Wind, sondern der schwere Atem der Männer.
Die Seile wurden von den Pflöcken gerissen, und langsam trieben die Flöße vom Ufer weg in die Kama hinein. Dort, fast in der Mitte des Flusses, kamen die Flöße zum Halten, weil man Leinen mit schweren Steinen in die Kama warf und die Flöße so verankerte. Muschkow, der sich auf dem ersten Floß am Galgen festhielt und sich durchaus nicht wohl fühlte auf dem schwankenden Holzboden, durch dessen breite Spalten das Wasser quoll, sah wieder hinüber zu Jermak.
»Hinein mit ihnen!« brüllte Jermak Timofejewitsch und richtete sich in den Steigbügeln zu voller Größe auf. Sein Blick flog über die gesenkten Köpfe der Kosaken. »Sie sind die ersten! Und ich schwöre euch, jeden auf den Fluß zu
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