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Kosaken Liebe

Kosaken Liebe

Titel: Kosaken Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Marina an sich, und Muschkow spürte das Entsetzen bis in seine Därme hinein. Wenn er nicht gefühllos ist, wird er jetzt merken, daß Boris ein Mädchen ist, durchfuhr es ihn. Er preßte sie an seine Brust – er muß doch den Druck ihrer Brüste spüren! Welcher Mann merkt das nicht, und Jermak ist ein Baum von einem Mann!
    Doch nichts geschah. Jermak ließ Boris Stepanowitsch los, und dann drängten die neuen Jesaulen und die Hundertmänner heran, um den Kleinen – wie sie ihn nannten – ebenfalls zu beglückwünschen. Welch ein Erfolg! Vor einem Jahr noch Beute des Iwan Matwejewitsch und jeden Tag verprügelt, was ja zur Ausbildung gehörte, so fanden sie alle. Keiner konnte so reiten wie Boris Stepanowitsch, der selbst Jermaks Pferd zu einem Lämmchen gemacht hatte.
    »Weißt du, wie nahe du dem Tode warst?« fragte Muschkow heiser vor angestautem Entsetzen, als er endlich mit Marina allein war. »Hätte Jermak dich als Mädchen erkannt …«
    »Was hättest du dann getan, Iwan Matwejewitsch?« fragte sie zurück und stemmte die Arme in die Seiten. Die rote Mütze saß schief auf ihren blonden Haaren, die sie jetzt etwas länger trug, was ihrem Gesicht jene fromme Weichheit gab, vor der Muschkow hätte niederknien können.
    »Nichts! Was hätte ich tun können?«
    »Jermak töten!« Sie lächelte milde. »Muß man dir alles vorsagen?«
    »Du bist verrückt!« stotterte Muschkow. »Marinotschka, du bist verrückt. Das ist doch vollkommen unmöglich …«
    »Wenn man einen Menschen liebt, gibt es das Wort unmöglich nicht mehr.«
    »Würdest du denn für mich sterben, wenn mir etwas geschieht?« fragte Muschkow. Sein Atem ging schwer.
    »Jederzeit, Iwan Matwejewitsch. Immer! Wer dich tötet, wird von mir getötet.«
    »So liebst du mich?«
    »Das weißt du doch.«
    »Ich weiß es nicht«, schrie Muschkow und raufte sich die Haare. »Ich darf dich nicht einmal anfassen!«
    »Wer weiß …«, sagte Marina und drehte sich weg. Sie warf den Kopf keck in den Nacken und ging davon mit einem wiegenden Gang, der Muschkow das Blut heiß in den Kopf und in andere Stellen seines Körpers trieb.
    »Langsam wirst du ein Mensch«, rief sie über die Schulter zurück. »Nur überleg dir, wie wir unsere Liebe verbergen sollen! Du kannst doch nicht mit Jermaks Adjutanten in einem Bett liegen! Jermak Timofejewitsch würde dich sofort in einem Sandsack in den Fluß hängen …«
    Sprachlos, mit aufgerissenem Mund, einem Riesenfrosch nicht unähnlich, starrte Muschkow ihr nach.
    Der Frühling kam; man schrieb nun das Jahr 1581, und die Bäume blühten; auf den Feldern stand noch das Schmelzwasser, denn unter der aufgeweichten Erdschicht klammerte sich der Frost noch tief in den Boden. Auf der Kama fischten wieder die Leute aus Orjol, und die Stroganows machten ihren Geschäftsbericht fertig über einen fetten Winter …
    Das war aber auch alles, was sich tat.
    Nichts von dem Wunderland Mangaseja, nichts von einem Kriegszug, nichts von Reichtum für die Kosaken. Das Heer aus nunmehr tausend Mann stand erwartungsvoll bereit, gutausgebildet, in eiserner Disziplin, nachdem Jermak noch viermal gezwungen worden war, Übeltäter in den Fluß zu hängen oder – in einem besonderen Fall – einen Kosaken, der einen Kameraden ermordet hatte, lebendig zu begraben.
    Das Furchtbare dabei war, daß Marina Alexandrowna als Adjutant die Urteile im Namen Jermaks verlesen mußte. Jedesmal nach dieser schrecklichen Pflicht gab sie dem unschuldigen Muschkow laut weinend ein paar kräftige Ohrfeigen, und er ertrug sie stumm, wohl wissend, daß sie ihre ganze innere Qual damit aus sich herausschlagen mußte. Wen sollte sie auch anders schlagen als ihn? Er gehörte zu ihr, und ihr Kummer war auch sein Kummer.
    Dann rannte Marina zum Kreml der Stroganows, suchte ihr Väterchen und weinte dort weiter. Der weise Lupin aber, dieses einmalige Vaterherz, faßte sie unter, ging mit ihr in die Stroganow-Kirche, stiftete dort eine geweihte Kerze und bat den Popen um Vergebung der Sünden dieses jungen Kosaken und um seinen Segen.
    »So geht es nicht weiter«, sagte Jermak endlich im Mai zu Maxim und Nikita Stroganow. Ihr Onkel Semjon, der letzte einer Generation, die dem Zaren Iwan dem Schrecklichen noch in die Augen blicken konnte, während jüngere nur auf dem Gesicht lagen, hatte sich in ein Kloster zurückgezogen und starb dahin.
    Das übrigens war Tradition bei den Stroganows: Am Ende ihrer Tage, und sie fühlten genau, wann das war, verließen sie ihren

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