Kosaken Liebe
die Männer weg, über den Hals ihrer kleinen Pferde gebeugt, sich in den Sätteln verkriechend, auch wenn das unmöglich war. Die Kosaken begannen, die Flüchtenden einzeln zu jagen wie Schnepfen. Sie stachen die kleinen Männer von ihren Pferdchen.
Auch Muschkow und Marina saßen wieder auf ihren Gäulen, und sie mußten schießen und mit den Säbeln zuschlagen, wenn einige von Mursa Begulys Reitern an ihnen vorbei wollten und in panischer Angst die Weite der Steppe suchten. Dann deckte Muschkow Marina mit seinem Leib, und sie benutzte diesen Schutz, um die Pistolen nachzuladen und über seine Schulter hinweg zu schießen.
Jeder Schuß traf, aber eine Reiterpistole, neben dem Ohr abgefeuert, das gibt einen Knall, dem kein Trommelfell standhält. Nach vier Schüssen hörte Muschkow nichts mehr vom Schlachtenlärm. Fast lautlos zog vor seinen Augen die Vernichtung wie ein stummer Traum ab, und selbst als Marina ihm in einer Pause ins Ohr brüllte: »Ich liebe dich, alter Mann!« verstand er nur »alter Mann« und fragte sich, was er nun wieder falsch gemacht habe.
Umgeben von schreienden Verwundeten und einigen Toten des gegnerischen Heeres traf Jermak die beiden an. Er ritt herum und suchte seinen Stellvertreter und seinen Adjutanten.
»Die Truppe ist ohne Führung!« brüllte er. »Was steht ihr hier herum?«
Muschkow hörte wieder nichts und grinste Jermak dämlich an. Er glaubte, Jermak habe ein Lob ausgesprochen. Dafür antwortete Marina, und zwar ebenso laut: »Wir haben uns nicht hinter einem Busch verkrochen und uns aus Angst die Hosen vollgemacht, sondern gekämpft wie du!« Sie zeigte auf die Toten und Verwundeten. »Glaubst du, die haben sich freiwillig hier hingelegt?«
»Mein Adjutant hat neben mir zu sein!« brüllte Jermak.
»Ist der Fächer nicht entfaltet worden?« rief Marina zurück.
»Ich habe neue Befehle gegeben – aber wer war nicht da, um sie weiterzuleiten? Boris Stepanowitsch!« Jermak ritt nahe an sie heran, seine dunklen Augen waren kalt und mitleidlos. »Willst du auch im Fluß hängen, Bürschchen?«
»Man hat Iwan Matwejewitsch aus dem Sattel gestoßen!« sagte sie ruhig. »Ich habe ihm geholfen, und als wir wieder im Sattel saßen, wart ihr schon weg! Sollte er zertrampelt werden, he? Ist das deine Freundschaft, Jermak Timofejewitsch?«
Dieser starrte sie entgeistert an. Solange er Kosakenhetman war, hatte niemand gewagt, so mit ihm zu reden. Sein Wort allein galt – es gab keinen Widerspruch. Einen König der Kosaken hatte es nie gegeben – aber Jermak herrschte wie ein König.
»Laß die Hornisten zum Sammeln blasen!« befahl Jermak hart. »Wer von Mursa Begulys Leuten noch lebt, soll flüchten und verkünden, daß eine neue Zeit angebrochen ist. Wir werden diese neue Zeit schaffen, nicht wahr, Boris Stepanowitsch?«
»Vielleicht«, antwortete Marina und versetzte damit Jermak wieder einmal in Staunen. »Aber eine neue Zeit braucht nicht nur starke, sondern auch kluge Männer!«
Damit riß sie ihr schnelles Pferd herum und galoppierte davon. Jermak starrte ihr nach, dann hieb er dem grinsenden Muschkow auf die breite Schulter.
»Das Kerlchen wird frech«, sagte Jermak. »Wir müssen auf ihn aufpassen, Iwan Matwejewitsch.«
»Ich höre nichts mehr, Brüderchen!« entgegnete Muschkow und lächelte entschuldigend. Er vernahm in beiden Ohren nur ein Rauschen, als läge sein Kopf in den Wellen des Schwarzen Meeres. Sicherlich sagte Jermak etwas Gutes, denn der Schulterhieb drückte pure Freundschaft aus – er kannte das.
»Lach nicht so dämlich!« schrie Jermak. »Wie konntest du aus dem Sattel fallen?«
»Ja, ja!« antwortete Muschkow, der wieder nichts verstanden hatte und grinste weiter.
»Bist du blöde geworden?« brüllte Jermak.
»Ich kann wirklich nichts mehr hören!« schrie Muschkow zurück. Er hatte eine gewaltige Stimme, die Jermak wanken machte, aber wer nichts hört, der hat auch seine eigene Stimme nicht mehr unter Kontrolle. »Feuert Schuß um Schuß neben meinen Ohren ab, dieser Boris Stepanowitsch! Welches Gehör hält das aus?«
Jermak verzichtete darauf, Muschkow einen speicheltropfenden Idioten zu nennen, riß sein Pferd herum und sprengte Marina nach, die an den Hornisten den Befehl: »Blast zum Sammeln!« weitergab.
Er erreichte sie, als sie gerade mitten im Getümmel von über fünfzig Pferden, um sich schlagenden Kosaken und flüchtenden Wogulen einem Fahnenträger den Lanzenwimpel entriß, weil dieser, von einem Pfeil getroffen, im
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