Kosaken Liebe
gemacht. Breite, aber leichte Boote, die viel an Mann und Material aufnehmen, aber selbst ohne Schwierigkeiten getragen werden können …«
»Boote?« Jermak stand langsam auf und stützte sich auf seine Fäuste. »Sollen wir etwa Boote tragen?«
»Es gibt nur einen sicheren Weg über den Ural, und der ist, die Tschusowaja hinaufzufahren bis zur Wasserscheide im Ural. Dann müßt ihr die Boote auf den Rücken nehmen und hinübertragen auf die andere Seite des Gebirges, bis ihr die Tura erreicht. Dort schifft ihr euch wieder ein, fahrt die Tura hinunter und erreicht den Tobol. Dann seid ihr schon mitten im Gebiet des sibirischen Zaren Kutschum.« Nikita schwieg, fügte aber dann schnell hinzu: »Des Gottlosen!«
»In Ewigkeit, Amen!« antwortete Jermak sarkastisch. Er starrte die Stroganows an, als seien es Geister. »Und unsere Pferde?« fragte er schließlich.
»Nach Sibirien kommt man nur über die Flüsse. Die Pferde müßt ihr hier lassen!«
Man kann einem Kosaken erzählen, daß die Sonne mit dem Mond zusammenstößt, daß die Wolga statt ins Schwarze Meer nach Norden fließt, daß man Weizen aussät, aber Kohl erntet … Er nimmt es hin und zuckt nur mit den Schultern. Einem Kosaken aber zu sagen, er dürfe nicht mehr auf dem Rücken eines Pferdes sitzen, ist der Untergang der Welt.
»Ohne Pferde?« fragte Jermak heiser.
»Ich kann nicht nach Sibirien reiten?« stotterte Muschkow.
Und selbst Marina sagte leise: »Ohne Pferde? Unmöglich!«
»Gehen wir!« sagte Jermak nun laut. »Die Herren Stroganow brauchen Leute, die mit dem Wind pissen! Wir aber pissen gegen den Wind und besiegen ihn! Die Herren brauchen andere Leute!«
»Sieh dir die Karten an, Jermak Timofejewitsch!« erwiderte Nikita Stroganow. »Wenn du einen anderen Weg weißt, sag ihn uns! Wir sind bereit, alles umzustellen!«
Jermak ging zu dem großen Tisch. Lange studierte er die Karten, beugte sich über die Zeichnungen, überlegte, kaute an den Nägeln, schloß die Augen und dachte nach. Niemand störte ihn …
Maxim Stroganow las in den Materiallisten, Nikita stand abseits an dem Gobelin, Semjon, der Alte, trank genußvoll von dem französischen Wein. Muschkow kaute an der Unterlippe, er hätte zu gern Marina berührt, das beruhigte ihn immer, glättete auf seltsame Weise seine erregten Nerven. Nachts tat er es heimlich, wenn Marina schlief. Dann legte er seine Hand ganz vorsichtig auf ihre feste Brust, und aller Kummer glitt von ihm. Es war ein herrliches, mit nichts zu beschreibendes Gefühl …
»Die Tschusowaja hinauf, mit den Booten durch den Ural und dann die Tura hinunter zum Tobol, das ist der einfachste Weg«, sagte Nikita, als Jermak immer noch schwieg. »Weiter südlich sind die Gebirge höher, die Schluchten tiefer, die Pfade unpassierbar, weder mit Booten noch mit Pferden. Bis man da einen guten Weg entdeckt hat, ist Sibirien nur zu Fuß oder über die Flüsse zu erobern. Kutschums Leute haben es einfacher. Es ist ihr Land, sie kennen es. Wo ihre Reiter hinüberkommen in unser Gebiet, weiß niemand. Auch der heilige Stephan hat zu Fuß …«
»Ich bin kein Heiliger!« sagte Jermak grob. »Ich brauche Pferde, um meine Beute wegzubringen! Sollen wir alles auf dem Rücken schleppen? Sollen wir Sibirien auf den Schultern wegtragen? Ein Kosak ohne Pferd …«
»Drüben, in Mangaseja, wird es wieder Pferde geben.« Semjon Stroganow, der Alte, erhob sich ächzend. Seit einem Jahr plagte ihn die Gicht. »Aber du wirst so klug sein, auf den Flüssen zu bleiben, Jermak Timofejewitsch. Ein Pferd kann verrecken, aber ein Fluß fließt ewig!«
»Ich muß es überlegen.« Jermak wandte sich von dem Kartentisch ab. »Selbst ich habe nicht den Mut, meinen Männern zu sagen, daß sie nicht nach Sibirien reiten dürfen.«
»Dann erkläre ich es ihnen«, sagte Nikita Stroganow.
»Versuch es, feines Herrchen.« Jermak lächelte böse. »Sie werden dich in Stücke reißen wie Bröckchen für eine Suppe! Ein Kosak ohne Pferd ist kein Mensch.«
Muschkows Gesicht glänzte. »Hörst du«, flüsterte er Marina zu, die vor ihm stand, »wir sind doch Menschen.«
»Man kann darüber streiten«, flüsterte sie zurück. »Und das werden wir nachher, Bärchen.«
Muschkow seufzte, ging zu Jermak und sagte recht laut: »Jermak Timofejewitsch, ich bin dafür, daß wir zum Don zurückreiten, aber erst Orjol zerstören. Man hat uns betrogen!«
Die Stroganows hielten den Atem an. Jetzt fiel die Entscheidung … Sie wußten genau, daß gegen tausend
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