Kosaken Liebe
gerettet.«
»Das wäre ein Grund, dich zu umarmen! Aber wie viele hast du schon getötet und geschändet?«
»Genau betrachtet – niemanden!«
»Du lügst, Iwan Matwejewitsch!«
»Ich habe nie eine Frau getötet! Oder ist an der Liebe schon einmal eine Frau gestorben?«
»Was ihr Kosaken Liebe nennt, ist Mord!« versetzte Lupin ruhig.
»Ich bin nicht solch einer, Väterchen! Beim Kampf … muß man da nicht töten, um nicht selbst umgebracht zu werden? Aber wenn ich ein Weibchen eroberte, ich schwöre es dir, Alter, ich habe es behandelt wie ein Täubchen!«
»Man dreht auch Tauben den Hals herum!« sagte Lupin mutig.
»Nicht ein Muschkow! Ach, Alexander Grigorjewitsch …« Iwan seufzte und biß wieder in ein Stück Brot. »Wenn ich eine Frau unter den Händen habe, schäme ich mich selbst vor meiner Zärtlichkeit. Das alles ist aber nichts gegen das, was ich empfinde, wenn ich Marinuschka nur ansehe! – Wir müssen einen Ausweg finden. Es ist Wahnsinn, sie mit nach Sibirien zu nehmen.«
Sie redeten noch eine Weile über ihren gemeinsamen Kummer und merkten nicht, daß hinter ihnen im Geröll Marina Alexandrowna lag und alles mithörte. Sie rührte sich auch nicht, als die beiden aufstanden, ihre dicken Steine wieder auf die Schultern wuchteten und zu der Ringmauer weitertrotteten. Erst als sie außer Sichtweite waren und die Dunkelheit sie verschluckt hatte, stand auch Marina auf und kehrte in einem Bogen zu den Lagerfeuern zurück.
Dort setzte sie sich neben Jermak, der an einem Stück Braten kaute, und schnitt sich auch ein Stück aus dem gepökelten Schweinebauch.
»Ich glaube, Muschkow ist neidisch!« sagte sie plötzlich.
Jermak zuckte zusammen. Man hört nicht gern so plötzlich über seinen besten Freund etwas Schlechtes.
»Wieso?« fragte er. Der Bratensaft lief ihm an den Mundwinkeln hinunter.
»Seit ich dein Adjutant geworden bin, sieht er mich manchmal an, als wollte er mich erdolchen.«
»Er hat dich nie leiden können«, sagte Jermak und lachte.
»Ist das wahr?« Marina starrte Jermak an. Ihr Herz zuckte plötzlich, und in ihrem Kopf begann das Blut zu hämmern. Eine unendliche Wehmut breitete sich in ihr aus …
»Er hat es selbst gesagt! ›Ich hätte das Kerlchen in Nowo Orpotschkow in das Feuer werfen sollen!‹ sagte er einmal zu mir. ›Herrje, wie belasten mich die Sorgen um den Burschen!‹ Und ich habe ihm geantwortet: ›Ich weiß und sehe es, Iwan Matwejewitsch. Das Bürschchen hat dreimal soviel Gehirn wie du. Das regt dich auf!‹ Und was antwortet er mir, mein bester Freund Muschkow: ›Ha, wenn's ein Mädchen wäre, kriegte ich es klein! Aber es ist ein Teufelchen, verdammt!‹«
Jermak blickte Marina an und lachte wieder mit fettigen Lippen. »Er ist nicht neidisch, Boris Stepanowitsch. Aber sieh dich vor! Du bist so hübsch, daß er doch eines Tages vergessen könnte, daß du ein Junge bist! Er wird tatsächlich immer sonderbarer. Warten wir es ab, aber wenn wir die Tura oder den Tobol erreicht haben, fangen wir für ihn ein Tatarenmädchen und zwingen ihn, sie vor unseren Augen zu lieben! Das wird ihn heilen …«
»Bestimmt, Jermak Timofejewitsch!«
Nachdenklich aß Marina Alexandrowna weiter. Ihre so klug ausgedachte weibliche List, Muschkow bei Jermak anzuschwärzen und ihm dadurch die Gelegenheit zu nehmen, sich mit Väterchen Lupin weitere Möglichkeiten zu überlegen, wie man Marina zurücklassen könne, schien sich ins Gegenteil zu verkehren. Wenn Jermak sagte, er wolle für Muschkow ein Tatarenmädchen fangen, dann tat er es auch … und sie sollte zusehen! Dann würde es keinen Ausweg geben – sie mußte es ertragen!
Zum erstenmal spürte sie, daß sie Iwan Matwejewitsch keiner anderen Frau gönnte, auch wenn sie selbst noch nicht die Seine geworden war. Warum liebe ich ihn nur, warum? So einen Klotz, so einen Kerl, so einen Frauenjäger? Warum?
Am dritten Tag, nachdem sie die Tschusowaja verlassen und den alten Sibirischen Weg eingeschlagen hatten, diesen Höllenpfad, den nach der Legende nur Priester gehen durften, weil sie gegen den Teufel gefeit waren, sahen sie das Flüßchen Scharawlja vor sich. Um sie herum war steinige Wüste, und die paar Eingeborenen, die sie trafen, harmlose Wogulen, wurden von den Kosaken begrüßt, indem sie sie ausplünderten, die Hütten zerstörten und die wenigen Frauen untereinander auswürfelten. Dann schleppten sie sie weg und taten mit ihnen das, was man in der Kosakensprache ›Hochzeit unter der Birke‹ nennt
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