Kosaken Liebe
sahen sich schweigend an. Sie dachten beide das gleiche: Wir haben einen großen Sieg errungen und waren nicht dabei! Wir, die Führer der Kosaken! Wenn andere das erfahren, werden sie sich schütteln vor Lachen.
»Jermak Timofejewitsch …«, brachte Muschkow zögernd hervor. »Den Popen bringe ich um!«
»Wir werden ganz still sein, Iwan Matwejewitsch«, antwortete Jermak heiser. »Wir haben schon anderes verschwiegen …«
Eine Stunde später empfing Jermak den gefangenen Fürsten Tausan. Die ersten Hammel brieten an den Spießen, die Priester hielten Dankgottesdienste ab, nur der Kosakenpope fehlte. Er lag im Haremszelt auf einem Diwan, und siebzehn schlanke Mongolinnen kümmerten sich um ihn.
Warum sagt man eigentlich immer, das Paradies erreiche man erst nach seinem Tode …
Am Abend – Muschkow war mit einem Trupp Kosaken weggeschickt worden, um die Stelle auszusuchen, an der man die Boote wieder zu Wasser lassen konnte – machte sich Jermak auf, um seinen Adjutanten Boris Stepanowitsch zu suchen. Seine Entscheidung war gefallen … Ihm war der langjährige Freund wichtiger als das schöne blonde Kerlchen von der Wolga.
Er traf Marina auf dem Schlachtfeld, auf dem noch immer die Verwundeten lagen. Niemand kümmerte sich um sie. Sie verbluteten, zuerst schreiend, dann jammernd, dann stumm in ihr Schicksal ergeben. Marina saß unter ihnen auf einem Pferdekadaver und verband einem kleinen Tataren sein zerfetztes Bein. Dankbar und fassungslos zugleich starrte der kleine Gelbe den hilfreichen Kosaken an.
»Suchst du dir neue Männer?« fragte Jermak grob. »Genügt dir ein Kosake nicht mehr? Muß es jetzt ein Tatar sein?«
Er gab dem Verwundeten einen Tritt. Der schrie auf und rollte gegen ein totes Pferd hinter sich. Dort blieb er liegen und zog die Beine an. Marina schwieg. Sie legte die Streifen aus Baumwolltuch auf den Pferdekadaver, auf dem sie saß, nahm den Krummdolch aus dem Gürtel und legte ihn über ihre Knie. Jermaks Augen wurden schmal.
»Du willst es aufnehmen mit mir?« fragte er, gefährlich leise. »Du Hurenkerl ziehst den Dolch vor mir?«
»Du hast mich einmal deinen Bruder genannt.« Marina blickte Jermak in die kalt funkelnden Augen. »Ich weiß nicht, wie Jermak mit seinen Brüdern redet. Man muß auf alles vorbereitet sein.«
»Dann sei es, Dreckskerl!« fauchte Jermak. »Das Kosakengericht ist zusammengetreten – und das Gericht bin ich! Du bist zum Tode verurteilt!«
»Ich höre es. Darf man fragen, warum?« Marina war ganz ruhig.
Er hat keine Angst, dachte Jermak verblüfft. Er weiß, daß er gleich sterben wird, und sitzt da, als erwarte er ein Stück gebratenes Hammelfleisch. Welche Kaltblütigkeit! O Kerlchen, warum hast du mit Muschkow in sündiger Liebe gelebt? Was hätte aus dir werden können!
»Du liebst Muschkow?« würgte Jermak hervor. Allein es auszusprechen, war eines Todes wert …
Und Marina antwortete klar: »Ja, ich liebe Iwan Matwejewitsch.«
»Das sagst du mir ins Gesicht?« schrie Jermak. Er riß seinen Dolch heraus, aber auch Marina stellte ihre Klinge aufrecht. »Ich habe euch gesehen! Heute, in der Nacht! Nackt lagt ihr unter einer Decke!«
»Das ist wahr«, sagte Marina ohne Zögern. »Es war das erstemal, aber es wird von jetzt an immer so sein …«
»Es war das letzemal!« schrie Jermak unbeherrscht. »Ich lasse mir meinen Muschkow nicht verderben!«
Er stieß mit dem Krummdolch zu – das heißt, er wollte es. Aber in dem erhobenen Arm zitterte plötzlich ein Pfeil, hatte sich in den Oberarmmuskel gebohrt und krallte sich mit einem Widerhaken in das Fleisch. Der Dolch fiel aus Jermaks Fingern; er wirbelte herum, aber der Schütze war nicht zu sehen … Ringsum nur Verwundete, die ans Überleben, aber nicht mehr ans Pfeilschießen dachten.
»Das rettet dich nicht!« knirschte Jermak. Er versuchte, den Pfeil aus dem Muskel zu reißen, aber der Schmerz wurde unerträglich. Nur ein Feldscher konnte den Pfeil herausschneiden … und wenn die Spitze vergiftet war …
»Vor Muschkows Augen werde ich dich im Tobol ertränken lassen!«
»Nur, weil ich ihn liebe?«
»Du Hurenbastard!« Jermak bebte vor Wut. »Unter meinen Kosaken gibt es keine Männerliebe!«
Marina stand langsam von ihrem Pferdekadaver auf. Sie blickte auf den Pfeil in Jermaks Arm und wußte, daß irgendwo hinter einem Toten oder einem Tier ihr Vater lag und daß ihr nichts geschehen konnte. Nicht jetzt – und wenn Jermak wie jeder andere Mensch ein Herz in der Brust hatte,
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