Kosakensklavin
Flaum aus schwarzem Haar bewachsen, seine Haut war hell, und Sonja stellte fest, dass seine Armmuskeln sogar jetzt, da sie nicht angespannt waren, kräftiger ausgebildet waren, als die des unbekannten Mannes, den sie in Tanjas Scheune gesehen hatte. Die Erinnerung trieb ihr die Schamröte ins Gesicht. Warum hatte sie sich dazu hinreißen lassen, diesem sündhaften Spiel zuzusehen? Und - schlimmer noch als dies: Warum hatte sie solche Lust dabei empfunden? Sie war froh, dass Andrej nichts davon wusste.
Ahnte er wirklich nichts davon? Sie sah vorsichtig zu ihm hinüber, und ihr schien, als sähe sie ein winziges Lächeln in seinem Gesicht. Rasch wandte sie den Blick ab und starrte auf die vorüberziehenden Baumriesen. Doch innerlich zitterte sie bereits, denn sein bloßer Körper schien eine seltsame Magie auf sie auszuüben. Hure, schalt sie sich. Nur eine Hure hat Vergnügen daran, die nackte Haut eines Mannes mit den Händen zu berühren.
Eine schmale Insel tauchte neben ihnen auf, Reste hölzerner Gebäude waren zu sehen, fast ganz von niedrigen Bäumen und Buschwerk zugewuchert wie ein geheimnisvolles, verlorenes Reich. Andrej fasste die Ruder und hielt auf die Insel zu. Sacht glitt das Boot in den Ufersumpf, er sprang heraus, balancierte auf einem umgestürzten Stamm und vertäute das Boot an einem Pflock.
„Nimm dich in Acht, es ist glatt.“
Sie zögerte, erhob sich dann vorsichtig und kletterte hinaus auf den glitschigen Stamm. Er sah ihr einen Moment lang zu, wandte sich dann um und ging voraus, ohne sich weiter um sie zu kümmern.
„Was tun wir hier?“
Sie glitt aus und wäre in den Sumpf gefallen, wenn sie sich nicht rasch an seinem Arm festgehalten hätte. Für einen Augenblick spürte sie, wie seine harten Muskeln sich anspannten, wie seine Hand zupackte und sie hielt - doch kaum hatte sie wieder festen Stand gewonnen, ließ er sie los.
„Ich will dir etwas zeigen. Wir sind gleich da.“
Wilde Fantasien schossen ihr durch den Kopf. Wollte er sie am Ende auf dieser gottverlassenen Insel gefangen halten, bis er die Austauschverhandlungen geführt hatte? Oder hatte er gar vor, hier über sie herzufallen? Ein süßer Schauer erfasste sie wieder, und sie verfluchte ihre Sehnsucht nach seinen Berührungen. Er hatte sie Sklavin genannt, wollte sie einkerkern und verhandeln. Und sie wünschte nichts mehr, als noch einmal seinen Arm zu spüren, seinen harten Griff, der wehtat, und der sie zugleich vor Wonne erzittern ließ.
Er bahnte ihr den Weg durch dichtes Gestrüpp, hielt die Zweige von ihr ab und wartete geduldig, wenn sie über Baumstümpfe und loses Geäst steigen musste. Niemals berührte er sie. Schon bald standen sie vor einem verfallenen Häuschen, das Dach war eingesunken, eine der Wände umgestürzt und vollkommen zugewachsen, aus der Mitte des Gebäudes ragte eine junge Birke empor. Dunkle Spuren einer Feuersbrunst waren an der Ruine zu erkennen, eine der Fensterumrandungen hing verkohlt an nur noch einem Nagel, zwischen Farnkräuter lag eine gedrehte Holzsäule.
Erstaunt sah sie, dass er lächelte. Mit einer raschen Bewegung strich er sich das feuchte Haar aus der Stirn.
„Hier habe ich oft als Kind gespielt“, sagte er.
Sie wusste vor Überraschung nichts zu sagen. Allzu unerwartet kam diese Sinnesänderung. Was sollte das nun wieder? Er nannte sie seine Sklavin, kommandierte sie herum, schleppte sie in diese Wildnis - nur um ihr dieses verfallene Haus zu zeigen? Wie passte das alles zusammen?
Er sah ihr an, dass sie wenig mit diesem Geständnis anzufangen wusste und setzte sich auf die gedrehte Säule.
„Auf dieser Insel gab es noch vor zwanzig Jahren ein Kosakendorf. Es lag -umgeben von einer Palisade - gut verborgen im Wald. Und doch haben die Tartaren es gefunden und zerstört.“
„Das ... das tut mir sehr leid.“
Er sah sie an, und seine schwarzen Augen schienen ihr plötzlich nicht mehr hart und durchdringend, sondern weich. Er lächelte fast wie ein Knabe.
„Das ist lange her“, sagte er mit einer wegwerfenden Handbewegung. „Vielen erging es so. Die Kosaken haben die Freiheit gewählt, und es ist ihr Schicksal, sie immer wieder im Kampf verteidigen zu müssen. Lieber sterben wir, als dass wir Knechte werden.“
„Ich verstehe .“
„Ich wollte, dass du diesen Ort siehst“, sagte er und erhob sich wieder. „Wir werden nun ins Dorf zurückkehren.“
Verwirrt folgte sie ihm durch das Dickicht zurück zum Ufer, ließ sich von ihm den Weg bahnen, sah ihn vor
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