Kosakensklavin
sie. Also war es doch wahr: Er hatte sie seinen Kameraden ausgeliefert, sie kamen, um ihr abscheuliches Spiel mit ihr zu treiben.
Sie hatte nicht die geringste Chance zur Flucht. Eine große Gestalt verdunkelte den Eingang, schritt auf sie zu, blieb dicht vor ihr stehen.
„Komm mit“, sagte Andrej.
Sein Haar war zerzaust, das Gesicht ungewöhnlich bleich. Die schwarzen Augen schienen sie zu verbrennen.
„Nein!“, rief sie, beide Hände abwehrend von sich gestreckt. „Lieber sterbe ich!“
Er stutzte, begriff ihre Angst und schüttelte langsam den Kopf.
„Es geschieht dir nichts.“
Sie glaubte ihm kein Wort. Zitternd stand sie vor ihm, zum Äußersten entschlossen, ihre Hand zuckte nach einem Messer, das auf dem Tisch neben dem leeren Teller lag. Doch er erriet ihre Absicht blitzschnell, fasste das Messer und warf es in den Herd.
„Ich schwöre bei meiner Kosakenehre, dass dir kein Haar gekrümmt wird. Glaubst du mir jetzt?“
Was versteht ein Kosak schon unter „Ehre dachte sie. Sie zögerte.
„Komm jetzt.“
Der harsche Befehlston war aus seiner Stimme verschwunden, es war eine Aufforderung, gebieterisch - aber nicht herrisch. Sie glaubte zu begreifen. Er wollte aufbrechen, um sie zu Baranow zurückzubringen. Nun gut - es war von Anfang an so beschlossen gewesen, und sie hatte es gerade eben noch vehement von ihm gefordert.
Langsam rührte sie sich, folgte ihm einige Schritte. Dann blieb sie stehen.
„Wo ist Tanja? Die Babuschka?“
Er kniff die Augen zusammen und sah sie unfreundlich an. Passte es ihm nicht, dass sie Tanja erwähnt hatte?
„Kümmere dich nicht um sie. Folge mir.“
Sie senkte den Kopf und gehorchte. Ihr Herz war schwer, während sie die Dorfstraße hinunter zum Fluss gingen. Ach, sie hätte sich gern von Tanja verabschiedet, die Babuschka umarmt und ihr gedankt. Stattdessen standen Männer in Grüppchen vor den Häusern, schwatzten, rauchten und grinsten breit, als Andrej mit ihr im Schlepptau an ihnen vorüberlief.
„Gutes Gelingen, Brüderchen!“
„Hast es dir verdient, Kosak.“
„Was für eine feine Beute du gemacht hast!“
Sie glaubte zu verstehen. Andrej hatte mit ihnen ausgehandelt, dass er das Lösegeld für sich behalten durfte. Bitter dachte sie an seine Worte. „Wenn Baranow dich noch haben will, schlage ich dich los.“ Jetzt würde er sie also verhandeln wie ein Stück Vieh oder einen Sack gestohlenes Silber.
Er führte sie zu einem der am Ufer festgebundenen Boote und forderte sie auf hineinzusteigen. Zögernd tat sie, was er verlangte. Wieso wollte er sie auf dem
Wasser zurück nach Pereschkowo bringen? Die ganze Zeit flussaufwärts rudern? Über die Stromschnellen, die Wasserfälle? Das war so gut wie unmöglich. Was hatte er vor?
Das Boot war klein und flach, besaß eine einzige Ruderbank, als Steuer diente ein Stab, der am Heck befestigt war. Sonja balancierte vorsichtig in dem schwankenden Kahn, während Andrej ihn von dem Pflock losband, an dem er vertäut war. Mit einem raschen Sprung war er im Boot, hätte sie dabei fast umgerissen und befahl ihr barsch, sich ans Heck zu kauern. Dann fasste er die beiden Ruder und trieb das Boot mit kräftigen Zügen flussabwärts.
Sie begriff nichts. Stumm hockte sie auf der Stelle und sah ihm zu, bewunderte die Sicherheit, mit der er das Schifflein in die Mitte des Stromes ruderte, und spürte erst nach einer Weile, dass ihre Füße und ihre Hosen von dem eingedrungenen Flusswasser feucht wurden. Sie rutschte herum, fand jedoch keine Position, bei der sie trocken blieb.
„Wohin fahren wir?“
Er schwieg sich aus. In der Strommitte zog er die Ruder ein und ließ das Boot treiben. Gemächlich fuhr das Schifflein dahin, schaukelte, wenn ein Wirbel den ruhigen Lauf des Wassers unterbrach, kam jedoch nicht von seinem Kurs ab. Wälder umschlossen jetzt den Flussarm, halb gestürzte Bäume tauchten ihre Zweige ins Wasser, Gräser und Schilf wuchsen an den sumpfigen Ufern. Wasservögel tauchten nach Nahrung, glitten im Tiefflug dicht an ihnen vorüber und stürzten sich lautlos in die Flut.
Der Himmel hatte sich bezogen, es war drückend schwül. Sonja wagte es, eine Hand ins Wasser zu tauchen und genoss die Kühle. Die Kleidung klebte ihr am Körper, es war ein unangenehmes Gefühl, nur allzu gern hätte sie im Fluss gebadet. Andrej zog sich ohne Umstände die dunkle Bluse aus und legte sie neben sich auf die Ruderbank. Sonja vermied es, ihn anzusehen. Seine breite Brust war mit einem durchsichtigen
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