Kosmologie für Fußgänger
Temperatur weiter an, und die Dichte wird immer größer. Ist schließlich ein Wert von etwa 15 Millionen Grad erreicht, so beginnt der nächste Fusionsprozess, das so genannte Wasserstoffbrennen. Dabei werden über mehrere Zwischenschritte vier Wasserstoffkerne – oder anders ausgedrückt: vier Protonen – schließlich zu einem Kern des Elements Helium verbacken. Jetzt kann der Stern endlich seinen riesigen Vorrat an Wasserstoff für die Energiegewinnung heranziehen.
Mit dem Einsetzen des Wasserstoffbrennens wird aus dem Protostern endlich ein richtiger Stern, der nun, je nach seiner Anfangsmasse, über eine Million bis hin zu 100 Milliarden Jahre von seinem Wasserstoffvorrat zehren kann. Der Strahlungsdruck, den dieser Vorgang im Sterninnern bewirkt, stabilisiert von jetzt an den Stern gegen die Gravitation und verhindert einen weiteren Kollaps. Was unsere Sonne betrifft, so sind bis zu diesem Zeitpunkt etwa 40 Millionen Jahre vergangen. Wie wir noch sehen werden, ist das eine relativ kurze Zeit verglichen mit der Spanne, in der die Sonne von nun an gleichmäßig ihren enormen Vorrat an Wasserstoff aufzehren wird.
Der Vorgang des Wasserstoffbrennens ist für das Leben unserer Sonne so wichtig, dass er eine etwas genauere Betrachtung verdient. Aus diesem Prozess gewinnt ja die Sonne die Energie, die sie tagein, tagaus so verschwenderisch in Form von Licht, Wärme und schnellen Teilchen verströmt. Also, wie schon gesagt: Aus vier Protonen entsteht ein Heliumkern. Vier Protonen haben eine Masse von 4,0313 Atomgewichtseinheiten, während ein Heliumkern eine Masse von 4,0026 Atomgewichtseinheiten aufweist. Man sieht sofort: Da fehlt doch was! Der Heliumkern ist um 0,71 Prozent leichter als die vier Protonen. Was ist da passiert? Bei der Vereinigung der vier Protonen wird Bindungsenergie frei. Diese Energie ist gleichbedeutend mit der Energie, die man aufwenden müsste, um den Heliumkern wieder in seine Bestandteile zu zerlegen. Nach Einsteins berühmter Formel ist Energie gleich Masse multipliziert mit dem Quadrat der Lichtgeschwindigkeit. Rechnet man damit den Massenverlust von 0,71 Prozent in Energie um, so ergibt sich daraus ein Wert von 26,731 MeV (ein MeV ist die Energie, die ein Elektron gewinnt, das durch eine Spannung von einer Million Volt beschleunigt wird), oder rund 4,3 Billionstel Joule. Zur Veranschaulichung dieser Größe sei angemerkt, dass eine Energie von 4,185 Joule erforderlich ist, um ein Gramm Wasser um ein Grad Celsius zu erwärmen. Absolut gesehen sind diese 4,3 Billionstel Joule also nicht gerade viel, die da bei einem – wohlgemerkt bei einem einzigen – Fusionsvorgang frei werden, aber es ist rund zehnmal so viel, wie sich aus allen anderen möglichen Fusionsprozessen gewinnen lässt.
Diese Energie muss nun aber irgendwo verblieben sein. Frage: Wer hat sie? Einen gewissen Prozentsatz tragen Neutrinos davon, Teilchen, die bei dem Fusionsprozess entstehen und den Stern ungehindert verlassen. Der Rest entfällt, wie auch schon beim Deuteriumbrennen, auf die bereits erwähnten hochenergetischen Photonen, die Gamma-Quanten. Im Gegensatz zu den Neutrinos können sich die Gamma-Quanten aber nicht einfach auf Nimmerwiedersehen aus dem Stern verabschieden, dazu ist die Sternmaterie einfach zu dicht. Unsere Sonne strahlt ja auch keine Gamma-Quanten ab, sondern hauptsächlich sichtbares Licht sowie infrarotes in Form von Wärme. Gelangten die Gamma-Quanten ungehindert an die Oberfläche des Sterns, so wäre das für uns und das Leben insgesamt ziemlich unangenehm. Gamma-Quanten sind so energiereich, dass sie binnen kurzem alles Leben zerstören.
Wenn nun aber das Gamma-Quant nicht an der Oberfläche der Sonne erscheint, dann muss auf seinem Weg dorthin mit ihm wohl irgendeine Verwandlung vor sich gegangen sein. In der Tat werden diese Quanten fortwährend an den Elektronen der Sternmaterie gestreut, von Ionen absorbiert und wieder reemittiert. Bei jedem dieser Vorgänge gibt das Quant ein wenig Energie an den jeweiligen Reaktionspartner ab, sodass das Photon, das aus solch einem Prozess hervorgeht, energieärmer ist, also eine größere Wellenlänge besitzt, als das ursprüngliche Photon. Taucht das Photon schließlich an der Oberfläche des Sterns auf, so hat es so viel Energie verloren, dass aus dem ehemaligen Gamma-Quant ein energiearmes Photon aus dem Bereich des sichtbaren beziehungsweise des infraroten Lichts geworden ist.
Aber der Weg aus dem Innern des Sterns ist weit und beschwerlich.
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