Kosmologie für Fußgänger
zu stabilisieren. Besäße die Erde keinen Mond, so würde die Achsenneigung innerhalb eines relativ kurzen Zeitraums von nur 1000 Jahren zwischen 15 Grad und etwa 32 Grad hin- und herschwanken. Das hätte gravierende Auswirkungen auf das Klima. Eiszeiten und subtropische Bedingungen würden sich vermutlich in kurzer Folge ständig abwechseln.
Gäbe es den Mond nicht, so würde sich die Erde in knapp zehn Stunden einmal um die eigene Achse drehen. Allein die Sonne hätte die Erdrotation von anfänglich fünf bis sechs Stunden auf diesen Wert abgebremst. Manche mögen jetzt denken: Na gut, dann ist der Tag eben nicht länger. Aber so einfach ist das nun mal nicht. Das Wetter auf einem Planeten hängt außerordentlich stark von dessen Drehgeschwindigkeit ab. Die Hoch- und Tiefdruckgebiete bewegen sich viel rascher, wenn der Planet schneller rotiert. Das wiederum hat zur Folge, dass sich die Windgeschwindigkeiten rapide erhöhen. Auf einer Erde mit zehn Stunden Tageslänge würden ständig Winde mit Geschwindigkeiten zwischen 400 und 500 Stundenkilometern toben, und zwar permanent. Diese Stürme möchte man sich nicht vorstellen. Die Konsequenzen für die Lebensentwicklung auf der Erde wären drastisch: Gäbe es uns, so wären wir in jeder Hinsicht »platt«, denn nur sehr flache Lebewesen könnten sich in einer solchen Umgebung mit so hohen Windgeschwindigkeiten überhaupt erfolgreich weiterentwickeln.
Die naturwissenschaftlich einwandfrei nachgewiesenen Einflüsse des Mondes gehen also weit, sehr weit über jene hinaus, welche in Mondkalendern und anderen Traktaten aufgelistet sind. Der Mond ist nicht nur unser nächster Nachbar, sondern er hat auch ganz wesentlich auf die Entwicklung des Lebens hier auf unserem Planeten Einfluss genommen. Gäbe es den Mond nicht, so würden wir vermutlich ebenfalls nicht existieren.
Und so beenden wir dieses Kapitel mit dem Schluss von Goethes Gedicht an den Mond:
Selig, wer sich vor der Welt
Ohne Hass verschließt,
Einen Freund am Busen hält
Und mit dem genießt,
Was, von Menschen nicht gewusst
Oder nicht bedacht,
Durch das Labyrinth der Brust
Wandelt in der Nacht.
Die Sonne
Früh, wenn Tal, Gebirg und Garten
Nebelschleiern sich enthüllen,
Und dem sehnlichsten Erwarten
Blumenkelche bunt sich füllen;
Wenn der Äther, Wolken tragend,
Mit dem klaren Tage streitet,
Und ein Ostwind, sie verjagend,
Blaue Sonnenbahn bereitet;
Dankst du dann, am Blick dich weidend,
Reiner Brust der Großen, Holden,
Wird die Sonne, rötlich scheidend,
Rings den Horizont vergolden.
Johann Wolfgang von Goethe
Offenbar ganz unter dem Eindruck eines wunderschönen Sonnenaufgangs, schrieb Goethe dieses Gedicht an die Sonne. Mit großer Dankbarkeit empfing er die ersten Sonnenstrahlen, die das Dunkel der Nacht erhellen und die Nebelschwaden durch ihre Wärme auflösen. In diesem Gedicht verleiht Goethe dem Gefühl Ausdruck, dass die Sonne unsere Lebensspenderin ist, dass alle Vorgänge auf unserem Planeten letztlich auf die Sonne zurückgehen. Denkt man länger darüber nach, so sind sogar unsere Gedanken geronnene Sonnenenergie. Aber was ist die Sonne? Ist sie ein normaler Stern, einer wie die vielen anderen? Woraus besteht sie, und was macht sie eigentlich? Oder anders gefragt: Woher nimmt sie die Energie, die sie so verschwenderisch abstrahlt?
Auf die Frage: »Wie weit, bitte, ist es bis zum nächsten Stern?«, könnte ein Astronom antworten: »Nach alpha-Centauri sind es etwa 4,3 Lichtjahre, also rund 40 Billionen Kilometer.« Sucht man den zu unserem Sonnensystem nächsten Stern, so ist diese Antwort gewiss nicht falsch. Aber warum denn in die Ferne schweifen, wenn »die Gute« doch so nahe liegt, sozusagen direkt vor unserer Haustür: nur rund 150 Millionen Kilometer von der Erde entfernt? Ein Stern, den wir auch tagsüber sehen, der unseren Tag erst zum Tag macht. Es ist die Sonne, der Stern, der täglich seine scheinbare Reise über den Himmel antritt, der uns wärmt und dem wir unsere Existenz und alles Leben auf der Erde verdanken. Den wenigsten von uns ist diese unmittelbare Nähe zu einem in der Blüte seines Lebens stehenden, aktiven Stern bewusst. Diese unmittelbare Nähe eines Himmelskörpers, in dem jede Sekunde eine Energiemenge freigesetzt wird, für deren Erzeugung auf der Erde 1000 Kernkraftwerke vom Typ Isar 2 rund neun Millionen Jahre laufen müssten.
Aber das ist bei weitem noch nicht alles! Ohne die Sonne gäbe es keine Erde, gäbe es
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