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Kosmologie für Fußgänger

Kosmologie für Fußgänger

Titel: Kosmologie für Fußgänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Lesch
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Streuung und Reemission sind nicht gerichtet. Das heißt, das Photon wird praktisch fortwährend zwischen Elektronen und Ionen hin und her geschubst, einmal in Richtung Oberfläche, dann wieder zur Seite oder gar zurück zum Zentrum. Auf diese Weise folgt das Photon einem langen Zickzackweg, bis es endlich den Stern verlassen kann. Man bezeichnet diese Bewegung auch als »random walk«. Klar, dass das nicht so schnell geht, wie wenn das Photon auf gerader Linie aus dem Sterninnern entweichen könnte. Bei der Sonne dauert es rund zwei Millionen Jahre! Mit anderen Worten: Das Licht, das die Sonne heute abstrahlt, ist bereits vor etwa zwei Millionen Jahren bei der Kernfusion im Zentrum des Sterns entstanden.
    Kommen wir noch einmal zurück auf die beim Wasserstoffbrennen erzeugte Energie. Wenn vier Protonen zu einem Heliumkern verschmelzen, wird eine Energie von 4,3 Billionstel Joule freigesetzt. Die Leuchtkraft der Sonne beträgt rund 385 Billionen Billionen Watt, das heißt, pro Sekunde strahlt die Sonne 385 Billionen Billionen Joule ab. Um diese gewaltige Energiemenge zu erzeugen, muss die Sonne in jeder Sekunde rund 600 Millionen Tonnen Wasserstoff in rund 595 Millionen Tonnen Helium umwandeln! Die Differenz von fünf Millionen Tonnen Masse – genau gerechnet sind es »nur« 4,27 Millionen Tonnen – verliert die Sonne pro Sekunde in Form von Strahlung. Nun stellt sich die Frage: Wie lange kann die Sonne das durchhalten? Nun, die Gesamtmasse der Sonne beträgt rund 2000 Billionen Billionen Tonnen. Davon sind rund 1500 Billionen Billionen Tonnen Wasserstoff. Wenn also pro Sekunde 600 Millionen Tonnen davon für die Erzeugung von Helium benötigt werden, dann würde es rund 80 Milliarden Jahre dauern, bis der letzte Rest Wasserstoff verbraucht ist. Allerdings wird die Sonne das Wasserstoffbrennen schon beenden, wenn erst rund zehn Prozent des gesamten Wasserstoffvorrats verbrannt sind. Damit reduziert sich die Zeit, in der die Sonne im Stadium des Wasserstoffbrennens verharren kann, auf rund acht Milliarden Jahre.

Ein Blick zurück
    Im Nachhinein betrachtet fügt sich das alles wunderbar zusammen. Die Art und Weise, wie die Sonne mit ihrer Energie umgeht, erscheint uns logisch und plausibel. Doch das war nicht immer so. Noch Mitte des 19. Jahrhunderts hatte man keine Ahnung von den Vorgängen in einem Stern. Einer der ersten Vorschläge, wie die Sonne ihre Energie gewinnen könnte, stammte von Robert Mayer. 1846 kam ihm der Gedanke, dass die Sonne vielleicht von außen mit Energie versorgt werde. Wenn pro Jahr zwei Billionen Tonnen Meteoriten auf die Sonne donnern, dann könnte man mit der umgesetzten Bewegungsenergie die Sonnenwärme erklären. Heute würde man dieser Theorie die Frage entgegenstellen, wo um Himmels willen all diese Meteoriten herkommen sollen. Außerdem müsste die Sonne aufgrund dieses Dauerbombardements immer mehr an Masse zunehmen. Das wiederum hätte Auswirkungen auf ihre Gravitationskraft, die ja nicht zuletzt auch die Bahnradien der Planeten bestimmt. Die aber haben sich nachweislich seit einigen hundert Jahren nicht verändert.
    Da auch die Zusammensetzung der Sonne noch nicht bekannt war, konnte Hermann von Helmholtz 1854 über einen Energiegewinn aus einer Verbrennung von Wasserstoff und Sauerstoff zu Wasser spekulieren. Seine Berechnungen hatten zum Ergebnis, dass damit der Energiebedarf für rund 3000 Jahre gedeckt werden könnte. Aber bereits zu seiner Zeit setzten die Geologen den Zeitraum, während dem die Sonne so strahlen musste wie heute, mit Millionen Jahren an.
    Dieser Zeitspanne kamen William Thomson und Helmholtz dann ziemlich nahe mit der Idee, die Sonne könnte ihre Gravitationsenergie für die Strahlung verwenden. Wenn sich ein Stern unter seiner eigenen Gravitation immer weiter zusammenzieht und stetig an Dichte gewinnt, dann wird dabei Gravitationsenergie frei. Das kann so lange gehen, bis der Stern dermaßen kompakt geworden ist, dass eine weitere Kontraktion nicht mehr möglich ist. Auf diese Weise könnte die Sonne ihre heutige Leuchtkraft über rund 20 Millionen Jahre aus dieser Energiequelle speisen. Da Sir William Thomson später noch einmal geadelt wurde – er durfte sich dann Lord Kelvin nennen-, spricht man heute von der Kelvin-Helmholtz-Zeitskala, wenn es um die Zeit geht, innerhalb der ein Körper seine Gravitationsenergie freisetzt.
    Inzwischen hatten allerdings Geologen das Alter der Erde exakter ermittelt. Sie fragten sich: Wie lange dauert es wohl, bis ein

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