Kosmologie für Fußgänger
wurde, desto mehr wurde auch die Wellenlänge der Strahlung gedehnt. Eine größere Wellenlänge ist aber gleichbedeutend mit einer geringeren Energie der Strahlung. Irgendwann musste also der Moment kommen, in dem die Strahlung nicht mehr ausreichend Energie besaß, die Elektronen von den Kernen zu trennen beziehungsweise die Materie zu ionisieren. Dieser Fall trat ziemlich genau 300 000 Jahre nach dem Urknall ein, als das Universum noch rund 1000-mal kleiner war als heute und »nur« noch etwa 3000 Kelvin heiß (ein Kelvin entspricht minus 273 Grad Celsius, der tiefsten, physikalisch sinnvollen Temperatur). Dass wir jetzt plötzlich von der Wellenlänge des Lichts sprechen, darf Sie als Leser nicht irritieren. Licht ist ein duales Phänomen, das man sowohl als einen Teilchenstrom, also einen Strom von Photonen, als auch als eine elektromagnetische Welle auffassen kann. Einige Vorgänge lassen sich besser im Teilchenbild, andere wiederum besser mit der Wellennatur des Lichts erklären. In unserem Fall ist die Energieabnahme der Strahlung durch eine Dehnung der Wellenlänge verständlicher.
3000 Kelvin stellen ungefähr die Grenztemperatur dar, bei der die Energie der Photonen gerade noch groß genug ist, um die Wasserstoffatome zu ionisieren. Bei einer etwas niedrigeren Temperatur sind alle Elektronen an die Protonen gebunden und nicht mehr frei. Bis die Wasserstoffatome ihre Elektronen jedoch wieder eingefangen hatten, vergingen immerhin rund 30 000 Jahre. Doch von da an konnten sich die Photonen, die vorher, wie wir schon erfahren haben, von den Elektronen hin und her geschubst wurden, geradlinig ausbreiten. Anders ausgedrückt heißt das, das Universum wurde durchsichtig, ähnlich wie sich an einem Herbstmorgen der Nebel langsam lichtet und den Strahlen der Sonne weicht. Dies ist auch der Moment der Geburt der kosmischen Hintergrundstrahlung. Jetzt können sich die Photonen in alle Richtungen frei ausbreiten.
An dieser Stelle müssen wir ein klein wenig Physik betreiben. Anfangs haben wir gefragt: Was ist das für eine Strahlung, die aus allen Richtungen auf die Erde fällt? Die Physiker bezeichnen sie als »Strahlung eines Schwarzen Körpers«, kurz auch Schwarzkörperstrahlung genannt. Wie wir im Kapitel »Was ist ein Stern« schon erfahren haben, versteht man darunter eine vollkommene Strahlungsquelle, nämlich strahlende Materie, die sich im thermodynamischen Gleichgewicht mit ihrer Umgebung befindet, das heißt, Materie und Umgebung haben die gleiche Temperatur.
Nun muss man wissen, dass alle Materie Strahlung emittiert. Man kann das an jedem Heizkörper oder an einem glühenden Stück Eisen erkennen. Beim glühenden Eisen ist die Strahlung direkt zu sehen, es leuchtet in umso hellerem Rot, je heißer das Eisen ist. Das Licht, das von dem Eisen ausgeht, liegt im sichtbaren Bereich des elektromagnetischen Spektrums, also in einem Bereich, in dem unser Auge empfindlich ist. Das »Licht«, das von einer Dampfheizung ausgeht, ist unsichtbar, aber man kann es »fühlen«. Unsere Hand wird warm, auch wenn wir den Heizkörper nicht direkt berühren, sondern uns mit der Hand nur bis auf kurze Distanz nähern. Die Strahlung der Dampfheizung liegt im infraroten Bereich des elektromagnetischen Spektrums. Allgemein gilt: Je höher die Temperatur des strahlenden Körpers, desto kurzwelliger ist die Strahlung beziehungsweise desto energiereicher sind die Photonen, die von ihm ausgehen. Die von der Dampfheizung emittierte Strahlung ist also langwelliger, das heißt, die Photonen sind energieärmer als das sichtbare Licht. Die Temperatur des Schwarzen Körpers respektive der strahlenden Materie ist somit entscheidend für die Wellenlänge der emittierten Strahlung.
Da ein Schwarzer Körper sich mit seiner Umgebung im Temperaturgleichgewicht befindet, ist es auch gerechtfertigt, der von ihm ausgehenden Strahlung die Temperatur des Schwarzen Körpers zuzuordnen. Man spricht dann von der Temperatur der Schwarzkörperstrahlung.
Nun gibt ein Schwarzer Körper nicht nur Strahlung einer genau definierten Wellenlänge ab, sondern ein so genanntes Schwarzkörperspektrum. Der Physiker Max Planck war der Erste, der das in seiner berühmten Strahlungsformel ausdrücken konnte. Trägt man die Intensität der emittierten Strahlung gegen die Wellenlänge auf, so erhält man eine ganz charakteristische Kurve mit einem Maximum bei einer bestimmten Wellenlänge, von dem die Kurve nach kürzeren Wellenlängen steil und nach längeren
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