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Kosmologie für Fußgänger

Kosmologie für Fußgänger

Titel: Kosmologie für Fußgänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Lesch
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andere. Zwei parallele Geraden schneiden sich nämlich auf einer Kugel, und die Winkelsumme in einem Dreieck ist immer größer als 180 Grad. Man kann das leicht veranschaulichen. Stellen wir uns vor, wir ziehen von einem Punkt am Äquator eine Linie genau nach Norden und von einem benachbarten Punkt am Äquator eine zweite Linie ebenfalls exakt in diese Himmelsrichtung. Am Äquator und knapp darüber verlaufen die Linien zueinander parallel. Da beide Linien genau nach Norden laufen, müssen sie sich aber am Nordpol treffen und dort schneiden. Ähnlich ist es mit einem Dreieck. Nehmen wir zwei Punkte am Äquator, deren Abstand genau einem Viertel des Kugelumfangs am Äquator entspricht, und ziehen von dort wieder je eine Linie genau nach Norden bis zum Nordpol. An den Ecken des Dreiecks aus Nordpol und den beiden Punkten auf dem Äquator treffen sich die Dreiecksseiten unter einem Winkel von jeweils 90 Grad. Und 3 x 90 Grad ergibt 270 Grad. Die Geometrie, die wir jetzt betreiben müssen, ist also nicht mehr euklidisch, sondern sphärisch.
    Neben der flachen und der positiv gekrümmten zweidimensionalen Welt gibt es noch eine Welt mit negativer Krümmung. Die Form einer derartigen Fläche entspricht der eines Pferdesattels, der an den beiden Flanken des Pferds nach unten und an den dem Kopf und dem Schweif des Pferdes zugewandten Enden nach oben gebogen ist. Eine derartige Fläche bezeichnet man auch als hyperbolisch. Hyperbolische Flächen können wie das flache Papier unendlich ausgedehnt sein und sind somit nicht geschlossen wie Kugelflächen, sondern offen. Die Geometrie auf Sattelflächen ist ebenfalls nicht euklidisch und die Winkelsumme in einem Dreieck stets kleiner als 180 Grad.
    Damit haben wir drei Erscheinungsformen, in der unsere zweidimensionale »Welt« auftreten kann: als flache, nicht gekrümmte Welt, als geschlossene, endliche Welt mit positiver Krümmung und als offene, unendliche Welt mit negativer Raumkrümmung. Jetzt fällt es vielleicht nicht mehr ganz so schwer, das Ergebnis auf eine dreidimensionale Welt zu übertragen. Wir können uns zwar nach wie vor deren gekrümmtes Aussehen nicht vorstellen, aber wir haben eine Ahnung davon bekommen, wie sich Krümmungen auswirken. Auch unsere dreidimensionale Welt könnte somit flach, geschlossen oder offen sein. Wenn wir »Welt« sagen, dann meinen wir natürlich nicht unsere Erde, sondern das gesamte Universum. Welche Krümmung unser Universum wirklich hat, wissen wir nicht. Das hängt entscheidend davon ab, wie viel Masse das Universum enthält.
    Vielleicht, liebe Leserinnen und Leser, haben Sie jetzt bemerkt, dass wir mit dem letzten Satz ganz nebenbei die Frage nach der Ursache für eine Krümmung des Raumes beantwortet haben. Verantwortlich dafür ist das Vorhandensein von Masse. Masse krümmt den Raum. Je mehr Masse, desto mehr ist auch der Raum in der Umgebung der Masse gekrümmt. Man kann sich das, zur Vereinfachung jetzt mal wieder im Zweidimensionalen, anhand eines gespannten Gummituchs, auf das ein Gitternetz aufgemalt ist, vor Augen führen. Legen wir auf das Gummituch eine Holzkugel, so wird sich das Tuch unter dem Gewicht der Kugel eindellen, und das Gitternetz wird an dieser Stelle entsprechend verzerrt. Nehmen wir anstelle der leichten Holz- eine viel schwerere Bleikugel, so sinkt diese viel tiefer in das Tuch ein, und die Krümmung der Gummimembran vergrößert sich entsprechend. Licht, das sich auf der Fläche des Gummituchs ausbreitet, muss, wenn es in die Nähe der Kugel kommt, der durch die Masse der Kugel verursachten Krümmung folgen, da es ja aufgrund der vorausgesetzten Zweidimensionalität nicht aus der Fläche herauskann. Es breitet sich also nicht mehr »geradlinig« aus, sondern folgt den durch die Masse verzerrten Gitterlinien. Dieser Weg, obwohl gekrümmt, ist aber nach wie vor die kürzeste Verbindung zwischen der Lichtquelle und einem Empfänger. Übertragen wir das Ergebnis wieder auf unser Universum, so heißt das nichts anderes, als dass die Sonne aufgrund ihrer Masse den Raum lokal krümmt. Das Licht eines dahinter liegenden Sterns, das nahe der Sonne vorbeiläuft und normalerweise gar nicht in das Auge eines Beobachters auf der Erde gelangen kann, wird durch die Krümmung des Raumes so »abgelenkt«, dass es schließlich doch zur Erde gelangt.

Flaches, geschlossenes und offenes Universum
    So wie der Raum je nach Verteilung der einzelnen Massen lokale Krümmungen erfährt, so ist das Universum natürlich auch als

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