Kosmologie für Fußgänger
Ganzes gekrümmt, je nachdem, wie viel Gesamtmasse es enthält: Wie wir schon gesehen haben, ziehen sich Massen aber gegenseitig an und bremsen die Ausdehnung des Universums zunehmend ab. Die Kosmologen definieren nun eine kritische Masse, die gerade so groß ist, dass die Ausdehnung zwar stetig verlangsamt wird, aber erst nach unendlich langer Zeit zum Stillstand kommt. Ein solches Universum bezeichnen die Kosmologen als flach. Ist die im Universum enthaltene Masse jedoch größer als die kritische Masse, so wird der Raum in sich zurückgekrümmt, und man hat es mit einem geschlossenen Universum zu tun. Die Ausdehnung in einem geschlossenen Universum kommt zum Stillstand, wenn die kinetische Energie, die in der Ausdehnung steckt, völlig in potenzielle Energie umgewandelt ist. Von diesem Augenblick an zieht sich das Universum wieder zusammen. Die gesamte Entwicklung vom Urknall bis zur maximalen Ausdehnung verläuft nun in umgekehrter Richtung. Letztlich wird das Universum wieder in einem Punkt vereinigt sein, mit nahezu unendlich hoher Dichte und Temperatur. Theoretisch kann jetzt das Spiel erneut beginnen und ein neues Universum sich aus einem neuen Urknall entwickeln. In einem geschlossenen Universum wäre also eine zyklische Wiederholung der Entwicklungs- und Schrumpfungsprozesse in gewissen Zeitabständen durchaus möglich. Ist schließlich die Gesamtmasse des Universums kleiner als die kritische Masse, so erhält man ein offenes Universum mit negativer Raumkrümmung. In einem derartigen Universum hört die Expansion nie auf, ja, sie kann sich sogar beschleunigen.
In welcher Art von Universum wir leben, wissen wir nicht, da wir die in ihm enthaltene Masse nicht kennen. Man kann sie nicht berechnen, sondern nur mittels Beobachtungen auf ihren Wert schließen. Zurzeit sieht es so aus, als wäre sie allemal kleiner als die für ein geschlossenes Universum nötige Masse. Wahrscheinlich ist unser Universum offen, mit einer Masse knapp unterhalb der kritischen Masse. Vielleicht ist es sogar flach. Dass wir über die Gesamtmasse so wenig wissen, hängt damit zusammen, dass der Raum, in dem sich die Masse verteilt, so riesig groß ist. Es hängt aber auch damit zusammen, dass wir keine Ahnung haben, mit welchen »Arten« von Masse das Universum angefüllt ist. Sehen können wir nur die strahlende Materie. Die Beobachtungsergebnisse legen aber nahe, dass es daneben noch eine andere Form von Materie geben muss, welche die Kosmologen als Dunkle Materie bezeichnen. Dunkle Materie kann man, wie der Name schon sagt, nicht sehen. Sie zeigt sich lediglich durch die Gravitationskraft, die sie auf die sichtbare Materie ausübt. Man glaubt heute, dass der Anteil der Dunklen Materie etwa 90 Prozent der gesamten Materie des Universums ausmacht. Wenn das richtig ist, würde das bedeuten, dass wir nur von rund einem Zehntel unseres Universums Kenntnis haben, der Rest uns aber völlig fremd ist. Wem dieser Gedanke unheimlich ist, der möge sich damit trösten, dass auch in dem verbleibenden Zehntel noch so viele Geheimnisse und Rätsel verborgen sind, dass wir das Universum wohl nie zur Gänze verstehen werden.
Die Raumzeit
Zum Schluss dieses Kapitels wollen wir nochmals kurz auf die Begriffe Raum und Zeit zu sprechen kommen. Bisher haben wir immer so getan, als ob Raum und Zeit völlig unabhängig voneinander wären. Dies gilt in erster Näherung jedoch nur, wenn die Geschwindigkeiten, mit denen wir es zu tun haben, wesentlich kleiner sind als die Lichtgeschwindigkeit und die Massenkonzentrationen gering. Dass Raum und Zeit in Wirklichkeit noch nie voneinander unabhängig waren, hat uns Einstein gezeigt. Seine Spezielle Relativitätstheorie beschreibt, wie Raum und Zeit von der relativen Bewegung der Bezugssysteme, in denen sich einerseits die Ereignisse abspielen und andererseits sich der Beobachter befindet, abhängen. Gilt die Spezielle Relativitätstheorie nur in einem idealisierten Kosmos ohne Materie, also ohne Gravitation, so konnte Einstein mit der Erweiterung seiner Theorie zur Allgemeinen Relativitätstheorie veranschaulichen, dass Raum und Zeit nicht nur von der Bewegung, sondern insbesondere auch von der Massenverteilung abhängen. Infolgedessen reicht es nicht mehr aus, den Raum als dreidimensional anzusehen. Zu den drei Raumkoordinaten X,Y und Z muss als vierte Dimension die Zeit hinzukommen. Damit spielen sich Ereignisse nicht mehr getrennt in Raum und Zeit ab, sondern richtigerweise in einer vierdimensionalen
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