Kosmologie für Fußgänger
Objekt loszukommen? Denn, wie gesagt, die Entweichgeschwindigkeit wird nicht nur durch die Masse eines Objekts, sondern auch durch seine Größe bestimmt. Von einem Asteroiden mit einem Radius von nur einigen Kilometern könnte bereits ein guter Hochspringer in das All hinaus abheben. Ein Körper wie die Erde, mit einem Radius von etwa 6000 Kilometern, hat eine Entweichgeschwindigkeit von elf Kilometern pro Sekunde. Die Sonne, 300 000-mal schwerer als die Erde und mit einem Radius von 700 000 Kilometern lässt nur Gas entweichen, das mindestens 220 Kilometer pro Sekunde schnell ist. Aber wann reicht selbst die größte physikalisch sinnvolle Geschwindigkeit, nämlich die Lichtgeschwindigkeit, nicht mehr aus, um einen Himmelskörper zu verlassen? Das lässt sich ganz einfach ausrechnen: Für einen Stern wie die Sonne, mit der Masse von rund 10 30 Kilogramm (einer 1 mit 30 Nullen), beträgt dieser Radius nur noch drei Kilometer! Aber das ist zunächst lediglich Zahlenspielerei, die uns wenig über die Physik verrät, die hinter dem Totalzusammenbruch eines Sterns steht.
Um die physikalische Entstehungsgeschichte eines Schwarzen Loches zu verstehen, müssen wir tief in die Quantenmechanik einsteigen. Wieder einmal zeigt sich die eindrucksvolle Verknüpfung von Mikrokosmos und Makrokosmos. Die Kräfte, welche die Bewegungen und Wechselwirkungen der kleinsten Teilchen festlegen, bestimmen auch das Schicksal der großen stellaren Brutöfen, der Sterne. Das liegt daran, dass kernphysikalische Vorgänge für die Energiefreisetzung im Inneren der Sterne verantwortlich sind. Ein Stern ist ein Körper, der im Gleichgewicht von zwei Kräften steht. Auf der einen Seite die Geburtshelferin Schwerkraft. Sie ist dafür verantwortlich, dass sich eine ausgedehnte Gaswolke mit geringer Dichte überhaupt in einen Stern verwandelt. Die Schwerkraft treibt die Teilchen zusammen. Ihre immer nur anziehende Wirkung zwingt zunehmend mehr Gasatome auf stetig kleinerem Raum zusammen.
Wenn aber die Dichte der kollabierenden Wolke groß genug geworden ist, dann spüren alle Gasteilchen die Gegenwart der anderen Teilchen, es entsteht eine Kraft, die sich der Schwerkraft entgegenstemmt: der Gasdruck. Mit zunehmender Temperatur und Gasdichte steigt dieser Druck. Interessanterweise macht die Schwerkraft ihren Gegenspieler immer stärker, denn sie erhöht durch ihre anziehende Wirkung ständig die Gasdichte. Die Teilchen stoßen immer häufiger aneinander, und das Gas wird stetig heißer. Aus dem Gas, im Universum ist das fast nur Wasserstoff, wird ein Plasma, ein Gemisch aus positiv geladenen Ionen und negativ geladenen Elektronen.
Summa summarum, möchte man meinen, wird bei dem Kollaps einer Gaswolke ein Gleichgewicht zwischen diesen beiden Kräften erreicht. Das stimmt aber nicht, denn die Schwerkraft drückt immer mehr Material zusammen, bis schließlich der nächste Gegner auftritt: der Strahlungsdruck. Ab einer bestimmten Temperatur und Dichte verschmelzen die Protonen des Wasserstoffs zu Heliumkernen. Dabei wird Energie in Form von Gammaquanten frei. Die Gammastrahlung heizt die Umgebung auf, was wiederum den Druck erhöht, der sich gegen die permanent wirkende Schwerkraft stemmt.
Für eine gewisse Zeit dominiert jetzt der Strahlungsdruck. Er stabilisiert den Stern so lange, bis durch die Verschmelzung immer größerer Atomkerne keine Energie mehr gewonnen wird. Dieser Punkt ist erreicht, wenn die Fusionskette schließlich bei Eisen angekommen ist. Die zentrale Energiequelle erlischt, und die Schwerkraft schlägt nun wieder mit voller Wucht zu. Die Materie wird weiter zusammengepresst, bis eine neue Kraft auftaucht, die sich der Schwerkraft entgegenstellt, der so genannte Fermi-Druck. Er entsteht durch ein Grundgesetz der Quantenwelt, das da lautet: In einem System können sich zwei Elektronen, Neutronen oder Protonen, niemals in ein und demselben Zustand befinden. Zwei Teilchen müssen sich mindestens in einer Eigenschaft unterscheiden. Presst die Schwerkraft eines verlöschenden Sterns die Materie zu sehr hohen Dichten zusammen, so tritt diese Regel in Kraft. Wenn zum Beispiel zwei Elektronen aneinander geraten und sich trotz der gegenseitigen elektrischen Abstoßung – beide sind ja negativ geladen – immer näher und näher kommen, dann geht das nicht beliebig weiter. Ab einer kritischen Dichte können sich die Teilchen nicht mehr frei bewegen. Sie werden in so genannten Pauli-Zellen zu Paaren gepackt. Dort stecken immer zwei
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