Kostas Charistos 5 - Faule Kredite
»Hat sie es dir erzählt?«
»Ja, und zwar nicht, weil sie es nicht gut findet, sondern weil sie jetzt verheiratet ist und ihr Mann sich auf den Schlips getreten fühlen könnte, wenn die Schwiegermutter den Haushalt mit Lebensmitteln versorgt.«
»Wieso denn auf den Schlips getreten?«
»Weil es so aussieht, als würde sein Gehalt dafür nicht reichen.«
»Ja, wo lebst du denn?«, ruft sie aufgebracht. »Die meisten jungen Paare kommen heutzutage nur über die Runden, wenn die Eltern etwas zum Haushaltsgeld dazulegen. Und jetzt, in der Krise, wird alles noch schlimmer.«
»Im Prinzip hast du recht. Aber wenn beide berufstätig sind, trifft das nicht zu.«
»Katerina arbeitet zwar, aber ohne Bezahlung. Und wann sie von den Mandaten, die man ihr übertragen hat, leben kann, steht in den Sternen. Daher steuere ich ihren Anteil zum Haushaltsbudget bei, bis sie richtig Geld verdient. So einfach ist das.«
»Kannst du mir eine Frage beantworten? Du hast doch jetzt nicht mehr Haushaltsgeld zur Verfügung als vorher. Wie schaffst du es, davon gleich zwei Familien zu ernähren?«
»Ganz einfach: Morgens höre ich mir die Radiowerbung an, dann weiß ich Bescheid über die aktuellen Sonderangebote in den verschiedenen Supermärkten. Da es jeden Tag auf andere Waren Rabatt gibt, kaufe ich täglich ein. So reicht mein Budget für zwei Familien. Die Einkäufe lagere ich dann hier zu Hause und bringe sie ein- oder zweimal die Woche zu den Kindern rüber.«
»Und wieso habe ich dein Zwischenlager nicht bemerkt?«
»Was sollte dir schon auffallen! Du würdest es ja nicht einmal merken, wenn ich morgen die Möbel umstelle und das Wohnzimmer mit dem Schlafzimmer vertausche.« Sie verstummt kurz und fügt dann hinzu: »Ohne Sonderangebote kommt man überhaupt nicht über die Runden! Wir sind das einzige Land, in dem die Preise in der Krise hoch- statt runtergehen.«
»Ich muss sagen: Hut ab, Adriani!«
»In harten Zeiten muss man zusammenhalten, lieber Kostas. So bin ich groß geworden. Kam einer in Schwierigkeiten, waren die Nachbarn zur Stelle.«
Da auch ich mit dieser Mentalität aufgewachsen bin, erübrigt sich jede weitere Diskussion.
Als ich den Fernseher anschalte, springt mir die Bildunterschrift »Die Banken schlagen zurück« ins Auge.
Darunter sieht man einen länglichen Tisch, an dem drei Banker Platz genommen haben: Stavridis, Galakteros und ein mir unbekannter Dritter. An der Wand im Hintergrund hängt eine Ahnengalerie mit altehrwürdigen Bartträgern bis hin zu jüngeren Porträts aus den fünfziger Jahren.
»Wir drohen niemandem«, sagt Stavridis, als wolle er die Überschrift Lügen strafen. »Doch wir müssen uns einer außerordentlich unangenehmen Situation stellen. Aufgrund der Krise ist die Konjunktur eingebrochen, und das spüren auch die Banken. Wenn die Leute, wie dieser Wahnsinnige vorschlägt, ihre Schulden nicht mehr zurückzahlen, wird sich das auf die gesamte Wirtschaft überaus negativ auswirken.«
Der Täter hat zumindest einen Etappensieg errungen. Selbst wenn die Kreditnehmer seinem Aufruf nicht folgen, ist es ihm gelungen, die Banken gehörig zu verunsichern.
Die Journalisten, die an der Pressekonferenz teilnehmen, sind ganz anders gekleidet als die Polizeireporter und stellen auch ganz andere Fragen.
»Wie würden Sie die Haltung der Zeitungen bezeichnen, in denen die Inserate geschaltet wurden?«
»Als absolut unverantwortlich. Wir respektieren das Recht der Bürger auf neutrale Berichterstattung. Bei einem Bekennerschreiben wären sie selbstverständlich zu einer Veröffentlichung verpflichtet. Hier handelt es sich jedoch um eine bezahlte Anzeige. Niemand zwingt ein Blatt, ein Inserat zu veröffentlichen.«
»Wir haben vollstes Vertrauen, dass der Polizei die Festnahme dieses Verrückten gelingen wird. Andernfalls werden wir uns, so leid uns das tut, zu entsprechenden Maßnahmen gezwungen sehen«, wiederholt Galakteros, als müsse er den Zuschauern die Botschaft einbleuen.
»Von welchen Maßnahmen sprechen Sie?«, ertönt eine Stimme aus der Riege der Journalisten.
»Wir könnten kurzfristig die Vergabe von Darlehen verweigern«, entgegnet Galakteros.
Panos Nestoridis meldet sich zu Wort: »So eine Maßnahme nach dem Gießkannenprinzip trifft aber alle gleichermaßen.«
»Das stimmt, aber es bleibt uns keine andere Wahl. Wir dürfen die Bankinstitute keinem Risiko aussetzen.«
»Und noch etwas, Herr Nestoridis«, ergreift Stavridis wieder das Wort. »Bis jetzt haben
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