Kostas Charistos 5 - Faule Kredite
die in den letzten fünf Jahren durch die Banken veranlasst wurden. Uns interessieren nur die großen Vermögenswerte, zum Beispiel die Immobilien. Eine Auflistung der gepfändeten Wagen, deren Besitzer die Raten nicht mehr zahlen konnten, macht wenig Sinn. Da wären wir in einem Jahr mit der Überprüfung noch nicht fertig.«
»Das könnten wir zwar auch alles von der Zentralstelle für Kreditinformation erfahren, aber dieser Weg ist kürzer«, ergänzt Gikas.
»Morgen früh bekommen Sie die Aufstellung«, sagt Stavridis.
Das Treffen endet mit allgemeiner Zufriedenheit, und am meisten strahlt der Minister.
Da mich Gikas mit seinem Dienstwagen schon ins Ministerium gefahren hat, übernimmt er nun auch meinen Rücktransport. Vor meinem Büro lauert die übliche Reportermeute. Doch heute bin ich bester Stimmung, da mir zum richtigen Zeitpunkt die Idee mit der Pfändungsliste gekommen ist. Daher begrüße ich sie mit einem Lächeln.
»Na, was führt euch hierher, Leute? Ich habe ja eigentlich gestern mit euch gerechnet.«
»Ja, aber gestern stand Okamba im Mittelpunkt«, erläutert eine fünfzigjährige altgediente Journalistin, die normalerweise ihren Praktikanten schickt.
»Mordfälle haben Vorrang, das verstehen Sie doch«, rechtfertigt sich die Kurze in Rosa.
»Insbesondere, wenn es um einen Terroranschlag geht«, mischt sich Sotiropoulos ein, der wie üblich neben meiner Bürotür lässig an der Wand lehnt. Seine Stimme trieft vor Ironie.
Nun ist es wohl an der Zeit, die artigen Einleitungsfloskeln hinter uns zu lassen. »Also, worum geht’s?«
»Gibt es irgendwelche Anhaltspunkte, wer die Person sein könnte, die Athen mit dem Aufruf zum Bankenboykott zugekleistert hat?«, fragt mich ein junger Mann in einem schwarzen T-Shirt mit der Aufschrift »love is life« und mit einem Ring im rechten Ohr.
»Nein, derzeit liegt uns nichts vor. Wir ermitteln noch.«
»Glauben Sie, dass der Bankensaboteur wieder zuschlagen wird?«
»Ah! So habt ihr ihn getauft? Bankensaboteur? Nein, das weiß nur er allein.«
»Was ist in der Unterredung zwischen dem Minister und den Vorsitzenden der Banken besprochen worden?«, fragt mich die routinierte Fünfzigjährige.
»Für die Beantwortung dieser Frage ist der Minister zuständig.«
»Aber Sie haben doch neben Herrn Gikas auch daran teilgenommen.«
»Fragen Sie den Minister.«
Damit beendete ich die Diskussion. Wie es sich in den letzten Jahren eingebürgert hat, ziehen alle bis auf Sotiropoulos ab, der immer noch im Flur an der Wand lehnt.
»Hübsches Spektakel«, sagt er. »Bill Okamba in kugelsicherer Weste und Handschellen, dazu bis an die Zähne bewaffnete Beamte mit Gesichtsmasken, Streifenwagen, Einsatzfahrzeuge, Fernsehteams… Hollywood kann einpacken.«
»Wozu beschreiben Sie mir die Szene noch mal? Ich habe sie ohnehin schon im Fernsehen gesehen.«
»Dann wissen Sie ja auch, dass die Untersuchungshaft von Ermittlungsrichter und Staatsanwaltschaft einstimmig beschlossen wurde.«
»Klar.« Das stimmt zwar nicht, aber wie sich nun herausstellt, lag Gikas mit seiner Einschätzung richtig.
»Mir tut der Staatsanwalt schon leid, der die Anklage vor Gericht vertreten muss. Mit den verfügbaren Indizien wird ihn Leonidis fertigmachen.«
»Ich hätte da eine kleine Bitte«, sage ich, und damit wechsle ich so ganz nebenbei das Thema.
»Was denn für eine Bitte?«
»Arrangieren Sie für mich ein Treffen mit einem Wirtschaftsredakteur aus Ihrem Kollegenkreis.«
»Und wozu?«
»Ich suche jemanden, der über das Bankenwesen gut Bescheid weiß.«
Auf Sotiropoulos’ klassische Frage »Und was habe ich davon?« bin ich vorbereitet: »Meine Wertschätzung.«
Er lacht auf. »Die tragen Sie mir zum ersten Mal an, aber sie wäre eine nette Draufgabe, eine Zulage zum Grundgehalt sozusagen. Wo doch heutzutage alle Zulagen weggekürzt werden… Aber vorher sollten wir über das Grundgehalt reden, bevor auch das eingespart wird.«
»Aus gut informierten Kreisen der Polizei erfahren Sie als Erster die neuesten Ergebnisse.«
»Geben Sie mir eine Minute.« Er holt sein Handy hervor und führt ein Gespräch im Flüsterton. Es dauert tatsächlich genau eine Minute, bis er mich fragt: »Können Sie heute um fünf in der Brasserie in der Valaoritou-Straße sein?«
»Ja, das geht.«
»Schön, dann alles Weitere dort.«
Als Sotiropoulos nach unserem Gespräch abzieht, sind wir alle beide zufrieden.
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Die Brasserie liegt in der Fußgängerzone, deshalb stelle ich den
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