Kostas Charistos 5 - Faule Kredite
hole. Frau Dimitra, die am Büffet bedient, ruft einem jungen Beamten, der im Kollegenkreis an einem Tisch sitzt, gerade zu: »Der Typ hat ja so was von recht! Endlich redet einer Klartext und sagt, dass wir diesen Dieben überhaupt nichts schulden.«
»Von wem sprechen Sie, Frau Dimitra?«, frage ich.
»Na, von dem, der die Plakate geklebt hat. Das ist doch die Lösung. Die haben uns schon Unsummen abgeluchst. Wie lange sollen die noch auf unsere Kosten in Saus und Braus leben?« Sie hält inne und richtet ihren Blick auf uns. »Ihr tut mir wirklich leid«, erklärt sie in alle Richtungen.
»Wieso?«, fragt Lasaridis, der neben mir steht.
»Weil ihr auch die kriegen müsst, die den Leuten was Gutes tun.«
Ich nehme meinen Mundvorrat in Empfang und entferne mich vom Büffet, als ich Lasaridis’ Stimme hinter mir höre. »So denkt ganz Griechenland.«
»Wie denn?«
»Wenn einem die Bank ein Darlehen gewährt, erscheint sie als Wohltäterin. Sobald man es jedoch abbezahlen soll, wird sie plötzlich zum Kredithai.« Er blickt mich lachend an. »Um deine Ermittlungen beneide ich dich wirklich nicht«, ergänzt er.
Nach dem Kaffee genieße ich gerade mein Croissant, als Koula mit einem Umschlag in der Hand in mein Büro tritt. »Das wurde gerade von einem Boten abgegeben, Herr Charitos.«
Auf dem Kuvert prangt das Logo des Griechischen Bankenverbandes. Ich reiße es auf: Zwei Listen kommen zum Vorschein. Die erste ist gerade mal eine Seite lang und umfasst vier Spalten: Vor- und Nachname, Bezeichnung der Bank, Datum und Grund der Entlassung. Die können wir mit Leichtigkeit abarbeiten. Das größere Problem ist die zweite Liste, sie ist umfangreicher und enthält die Pfändungen, die in den letzten drei Jahren veranlasst wurden. Wir brauchten Tage, um sie zu durchforsten, und es hat keinen Sinn, sie an die Abteilung für Datenverarbeitung weiterzuleiten. Wenn schon dem Leiter der Ermittlungen nicht klar ist, wonach man eigentlich suchen soll, kann man auch vom Stab der Datenverarbeitung keine Wunder erwarten.
Doch schlagartig fällt mir die Lösung ein. Ich rufe Koula an: »Hätten Sie Zeit, einen Auftrag für mich zu erledigen?«
»Gerne, Herr Charitos. Aber Sie wissen ja, dass nicht ich das entscheide.«
Daraufhin rufe ich Gikas an: »Ich würde gern Koulas Hilfe bei einer Recherche in Anspruch nehmen, geht das?«
Nach einem kurzen Schweigen fragt er unwillig: »Was soll sie denn für Sie erledigen?«
»Sie soll mir im Internet alle Firmen herausfiltern, die aufgrund einer Bankenpfändung aufgelöst werden mussten.«
»Und warum beauftragen Sie damit nicht die Abteilung für Datenverarbeitung?«
»Erstens verlieren wir dadurch Zeit: Das Personal ist total überlastet, denn jeder Kollege will, dass sein Fall vorrangig behandelt wird. Zweitens ist nicht klar, nach welchen Kriterien die Suche durchgeführt werden soll. Koula hat ein Händchen für so etwas, mit ihr kommen wir schneller auf einen grünen Zweig.«
»In Ordnung, das heißt aber nicht, dass sie ausschließlich Ihnen zur Verfügung steht. Sie wird die Suche unterbrechen müssen, wenn ich sie brauche.«
»Danke, das reicht mir vollauf.«
Ich fahre mit der Pfändungsliste zu Koula hoch. Gikas hat sie informiert, und sie erwartet mich schon.
»Koula, Sie sollen diese Liste durchackern. Fangen Sie zuerst mit den Personengesellschaften an, die Kapitalgesellschaften wie AGs und GmbHs kommen später dran. Auf die greifen wir zurück, wenn uns die kleineren und mittleren Unternehmen nicht weiterbringen.«
»Worauf genau soll ich achten?«
»Ich brauche die aktuellen Adressen der Firmeninhaber und Informationen darüber, ob sie ein neues Unternehmen gegründet haben oder endgültig ruiniert sind. In erster Linie interessieren mich die Leute, die unwiderruflich bankrott waren.«
»Alles klar, Herr Charitos. Ich unterrichte Sie laufend über alle, die mir unterkommen.«
Damit habe ich den vernünftigen Ratschlag von Wirtschaftsredakteur Nestoridis befolgt, den er mir in der Brasserie erteilt hat. Es ist viel einfacher, die Inhaber von Personengesellschaften ausfindig zu machen als mehrere Anteilseigner.
Dann kehre ich in mein Büro zurück und nehme die Liste mit den entlassenen Bankangestellten zur Hand. Zunächst überfliege ich die sechzehn angeführten Namen. Alle haben irgendetwas ausgefressen: Die einen haben sich bei der Kreditvergabe bestechen lassen, andere haben bei Zwangsversteigerungen in die eigene Tasche gewirtschaftet, einer hat
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