Kostas Charistos 5 - Faule Kredite
Kapodistrias. Da haben sich die Griechen gesagt: Was will dieser Schnösel denn hier? Und bringen ihn einfach um. Dann kam die Bayernherrschaft. Da haben die Griechen gesagt: Was wollen diese dahergelaufenen deutschen Adeligen denn hier? Was sucht ein bayerischer Thronfolger in Griechenland? Und jagen sie einfach fort. Jetzt hat man uns die Troika vor die Nase gesetzt: einen Dänen, einen Belgier und einen Deutschen. Wieder sagen die Griechen: Was wollen diese Besserwisser denn hier? Nur, dass die ganz bestimmt nicht abziehen, weil sie uns endgültig an die Leine legen. Jetzt haben sie uns am Schlafittchen. Verstehen Sie?«
Das leuchtet mir ein. Es klingt zwar wenig erfreulich, ist aber vielleicht gerade deshalb heilsam. In den letzten Jahren wurde nur noch mit schönen Worten auf Sand gebaut. Die Zeit scheint gekommen, sich nach soliderem Boden umzusehen, damit wieder etwas wachsen und gedeihen kann.
Zunächst machen wir in Koropi beim Maklerbüro von Jannis Mertikas Station, auf das ich bei den Ermittlungen zum Sissimopoulos-Mord gestoßen war. Von Mertikas will ich etwas über die aktuelle Situation von Stefanos Varoulkos erfahren und wie hoch - um auf die Terminologie drittklassiger Journalisten zurückzugreifen - die >Risikofaktoren< bei seiner Auseinandersetzung mit der Central Bank waren.
Das Schaufenster des Maklerbüros ist wieder genauso gespickt mit Verkaufsanzeigen für Grundstücke und Wohnungen wie beim ersten Mal. Diesmal sitzt Mertikas aber ohne seine Tochter im Büro, und sein Blick ist auf den Bildschirm seines Computers gerichtet.
»Na so etwas, der Herr Kommissar!«, meint er, sobald er mich erblickt. »Was verschlägt Sie hierher?«
»Ich wollte ein bisschen mit Ihnen plaudern.«
»Dem Himmel sei Dank! Wissen Sie, wie es sich anfühlt, den ganzen Tag vor dem pc zu sitzen, ohne mit jemandem ein Wort zu wechseln?«
»Wo ist denn Ihre Tochter?«
»Der habe ich unbefristeten Urlaub gegeben. Es ist besser für sie, zu Hause zu bleiben, als hier untätig herumzusitzen. Hier kriegt sie nur Depressionen, wenn sie sieht, wie das Geschäft läuft, das sie mal übernehmen soll.«
»Was ist passiert? Ich dachte, die Einwohner von Koropi verkaufen reihenweise ihre Grundstücke, um sich den neuesten Jeep Cherokee zu holen!«
»Ach was, jetzt in der Krise ist alles zum Stillstand gekommen. Den Leuten ist das Geld ausgegangen, Herr Kommissar. Wir dümpeln ganz unten im finanziellen Wellental dahin. Aufträge gab’s, solange Geld im Umlauf war. Dabei spielte keine Rolle, was man verkaufte und was man kaufte, und es spielte auch keine Rolle, ob auf Pump oder nicht. Ausschlaggebend war, dass überhaupt Geld im Umlauf war. Aber jetzt heißt es, das meiste war Schwarzgeld, und zur Sanierung unserer Finanzen muss legales Geld in den Wirtschaftskreislauf fließen. Gutes Brot ist schwarz, gutes Geld ist weiß. So heißt es jetzt überall. Das mag ja stimmen! Aber was macht man, wenn überhaupt kein Geld zirkuliert? Ich sage Ihnen eins: In der Not wird man auch vom Weißbrot satt, auch wenn es ungesund ist. Und genauso greift man in der Not in die schwarzen Kassen. Wenn Sie meine Meinung hören wollen: Geld kennt keine Farbe. Geld ist wie ein Auto, das muss man auch bewegen, damit es in Schuss bleibt. Wenn man es unbenutzt in der Garage stehen lässt, ist bald die Batterie alle. Genau an dem Punkt stehen wir heute.«
Er hält inne und kommt auf den Anlass meines Besuchs zu sprechen. »Aber Sie sind ja wahrscheinlich nicht hergekommen, um mein Palaver übers Geld anzuhören.«
»Ich wollte Sie fragen, was Sie über Stefanos Varoulkos wissen.«
Er blickt mich überrascht an. »Wie kommen Sie auf den?«
»Das tut nichts zur Sache.«
»Was wollen Sie denn über Varoulkos wissen?«
»Wie es zur Insolvenz seiner Firma gekommen ist.«
Er wundert sich zwar nach wie vor, beschließt jedoch, jede Rückfrage hinunterzuschlucken. »Varoulkos war der Baulöwe von Koropi. Alle Grundstücke, die er bebaut hat, hat er von mir gekauft. Nur einmal wollte er schlauer sein und ist dabei auf die Nase gefallen.«
»Wie ist das passiert?«
»Er hatte Bauland in sehr guter Lage gefunden, noch dazu groß und günstig geschnitten. Aber er hat es nicht von mir überprüfen lassen, weil er die Maklergebühren sparen wollte.
Die Grundstücksbesitzer haben ihm verheimlicht, dass es noch einen weiteren Erben gab, der in Kanada lebte. Das halbe Wohnhaus war schon fertig, als eines Tages der Erbe aus Kanada auftauchte. Er hat dann
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