Kostas Charistos 5 - Faule Kredite
hoch.
»Herr Charitos! Gerade habe ich es erfahren. Sie haben ja keine Ahnung, wie froh ich bin«, sagt mir Koula noch, bevor ich in Gikas’ Büro trete.
»Sind Sie deshalb zu Scherzen aufgelegt?«
»Ja, wieso nicht? Endlich raus aus dem Alltagstrott!«
Anstelle der beiden Briten sitzt ein großgewachsener Anzugträger mit rotblondem Haar in Gikas’ Büro: Ruud Sjiffel, seines Zeichens Geschäftsträger der niederländischen Botschaft.
»Herr Sjiffel ist hier, um sich über die Ermittlungen zum 252
Mordfall Henryk de Moor zu informieren«, erläutert mir Gikas.
Insgeheim wundere ich mich, dass Gikas griechisch mit mir spricht. Doch dann wird mir klar, dass Sjiffel unserem Gespräch folgen kann. Sein Akzent ist zwar nicht zu überhören, und des Öfteren stockt sein Redefluss, doch im Großen und Ganzen kann er sich gut verständigen.
»Und um zu erfahren, wann wir den Verstorbenen abholen können«, ergänzt er.
»Der Tote ist ab sofort zur Bestattung freigegeben«, erwidere ich. »Die Autopsie ist abgeschlossen.«
»Und wie kommen die… Verhöre voran?«, fragt Sjiffel. Offenkundig suchte er erfolglos nach dem Ausdruck für »Ermittlungen«.
Gikas betet die offizielle Version herunter. »Nach wie vor untersuchen wir die Möglichkeit eines Terroranschlags. In der Zwischenzeit gab es jedoch den Aufruf zur Rückzahlungsverweigerung von Krediten. Folglich müssen wir zwei Täterkreise ins Auge fassen. Möglicherweise stellt sich heraus, dass nur ein Täterkreis für die Morde verantwortlich zeichnet, vielleicht stehen sie aber auch in einem Zusammenhang. Das ist alles noch offen.«
»Sollen wir Ihnen zur Unterstützung noch eine >Troika< schicken? Von der Europol vielleicht?«, meint Sjiffel von oben herab. »Das war natürlich ein Scherz«, fügt er hinzu, doch seine Miene ist alles andere als belustigt.
Gikas steigt die Zornesröte ins Gesicht, doch er beherrscht sich. »Die griechische Polizei hält die Terrororganisationen ziemlich gut in Schach. Bislang haben wir bekanntlich zwei davon ausgehoben.«
»Seit die Troika aus Europäischer Kommission, ezb und iwf hier das Sagen hat, packt Griechenland Reformen an, die man ihm gar nicht zugetraut hätte«, sagt Sjiffel nun wieder ganz ernst. »Und ich glaube, eine Troika des Europäischen Polizeiamtes würde Ihnen auch auf die Sprünge helfen.«
»Die griechische Polizei kooperiert ohnehin mit den entsprechenden europäischen Behörden«, erwidert Gikas.
»Jaja, so wie der griechische Staat mit der Europäischen Kommission. Mit frisierten Statistiken…«
Ich ziehe meinen Hut vor Gikas: Seine Stimme bleibt ganz ruhig. »Die sogenannte Troika, sei es nun im Bereich der Wirtschaft oder auch der Polizei, ist eine Regierungsangelegenheit, Herr Sjiffel«, entgegnet er kühl. »Wenn Sie eine polizeiliche Troika für Griechenland anregen wollen, müssen Sie sich an den Minister wenden. Im Übrigen sollten Sie die Anstrengungen würdigen, die das griechische Volk derzeit unternimmt.«
»Die sind in der Tat sehr groß. Doch ich frage mich, was passiert, wenn kein Dreigespann mehr den griechischen Karren hinter sich herzieht. Geht dann alles wieder von vorne los?«
Vlassopoulos könnte ihm ein Lied davon singen, dass uns diese Troika wohl für immer erhalten bleibt.
Sjiffel erhebt sich. »Vielen Dank für Ihre Hilfe. Wohin muss ich mich wegen der Freigabe der Leiche wenden?«
»An die gerichtsmedizinische Abteilung«, erwidert Gikas kurz angebunden, macht jedoch keinerlei Anstalten, ihm in irgendeiner Weise entgegenzukommen. Sjiffel verabschiedet sich mit einem wortlosen Händedruck.
»Hat man da noch Worte?«, meint Gikas, als wir zu zweit zurückbleiben. »Die Troika aus Europäischer Kommission, ezb und iwf alleine reicht ihm nicht. Jetzt will er die griechische Polizei auch noch unter Vormundschaft stellen.« Er lässt einen tiefen Seufzer hören und fährt fort: »Wir müssen uns ranhalten. Auf der einen Seite haben wir den Bankensaboteur, auf der anderen die Ausländer, die jede sich bietende Gelegenheit nutzen, uns ihre Meinung zu sagen… Der Fall muss schleunigst abgeschlossen werden.«
»Wir haben ganz schön viel Zeit verloren.«
»Ich weiß, aber das interessiert weder den Minister noch den Polizeipräsidenten. Ab sofort werden sich beide ständig einmischen. Vor allem der Polizeipräsident, weil ihm die Festnahme des Südafrikaners jetzt peinlich ist.«
Es ist bereits nach sechs, als ich zu Sissis’ Häuschen in Nea Filadelfia aufbreche.
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