Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kostas Charitos 05 - Der Großaktionär

Kostas Charitos 05 - Der Großaktionär

Titel: Kostas Charitos 05 - Der Großaktionär Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
Vom Netzwerk:
beginne mich eilig anzuziehen, als wollte ich eine längst getroffene Entscheidung endlich umsetzen. Aufs Geratewohl greife ich nach einem Hemd und einer Hose, dann verlasse ich die Wohnung, ohne die Lichter zu löschen. Der Mira-fiori steht an der Straßenecke. Ohne konkretes Ziel fahre ich in die Nikoforidi-Straße, um von dort aus in die Filolaou-Straße abzubiegen. An der Kreuzung mit dem Vassilissis-Sofias-Boulevard biege ich nach links zum Syntagma-Platz ab, und in der leeren Amerikis-Straße finde ich einen Parkplatz. Die ganze Strecke habe ich mechanisch hinter mich gebracht, indem ich mich, ohne nachzudenken, den Bewegungen meiner Hände überließ.
      Die Panepistimiou-Straße liegt in ein gelbliches Licht getaucht vor mir, wozu die spärliche Straßenbeleuchtung beiträgt. Die Bürgersteige sind fast menschenleer, und die Autos gleiten lautlos auf dem Asphalt dahin. Weder hupen sie, noch lassen sie den Motor aufheulen, noch haben sie die Autoradios bis zum Anschlag aufgedreht. Zum ersten Mal in Athen treffe ich auf diskrete Autofahrer, und ich frage mich, ob es sich um dieselben handelt, die auch am Tage unterwegs sind. Könnte es sein, daß die Athener Autofahrer in getrennten Tag- und Nachtschichten unterwegs sind?
      Nach der Charilaou-Trikoupi-Straße sind etwas mehr Fußgänger unterwegs, doch ich biege kurz vor dem Omonia-Platz in die Eolou-Straße ein. Bis zum Kotsia-Platz wirkt auch sie wie ausgestorben. Nur zwei Gruppen, Albaner und Schwarze, haben sich in der Mitte des Platzes niedergelassen und diskutieren, jede für sich, lautstark. Nach der Sofokleous-Straße beginnt die Fußgängerzone der Eolou-Straße. Pärchen oder Grüppchen sitzen zu zweit oder zu dritt plaudernd auf den Mäuerchen der erhöhten Grünflächen.
      Seit zehn Jahren bin ich nachts nicht mehr durch Athen spaziert, und plötzlich entdecke ich das ruhige, etwas bleiche und dennoch schöne Antlitz meiner Stadt. Die Eolou-Straße war zu meiner Zeit nach Ladenschluß wie ausgestorben. Die Kafenions, die den Passanten süßen Mokka oder Ouzo mit Häppchen bzw. den Däumchen drehenden Ladeninhabern ein Tavli-Spiel zum Trost für mangelnde Kundschaft servierten, ließen ihre Rolläden spätestens um neun herunter und überließen die Straße der Unterwelt rund um den Omonia-Platz. Nun sind die Bars und Speiserestaurants auf der rechten Seite der Eolou-Straße voll mit jungen Leuten, die Cappuccino oder Wodka auf Eis trinken und Salate mit bunten Nudeln essen, die an Karnevals-Papierschlangen erinnern. Ich schaue mir die Cafes an und frage mich gleichzeitig, ob auch Ifantidis hier seine Abende verbracht hat. Nicht ausgeschlossen, doch vielleicht trieb er sich auch in den Schwulenbars der Stadt herum.
      Als ich an einem Cafe auf dem kleinen Platz vor der Ajia-Irini-Kirche vorbeikomme, kann ich der Versuchung nicht widerstehen und setze mich an ein Tischchen. Zunächst fühle ich mich unter all den jungen Leuten unwohl, doch als keiner mich beachtet, überwinde ich es rasch. Schlückchenweise trinke ich mit Blick auf das gelbe Gemäuer der Ajia-Irini-Kirche mein Bier, während die Musik nur ganz leise aus dem Inneren des Cafes dringt. Beim Blick auf die Uhr sehe ich, daß es bereits nach zwei ist, und die Neuankömmlinge sind gegenüber den Aufbrechenden immer noch in der Überzahl.
      Mit einem Schlag muß ich daran denken, was wohl Katerina und Fanis gerade auf dem Schiff tun. Schlafen sie zusammengerollt auf dem Boden? Liegen sie auf dem Rücken und starren an die Decke, mit vor Angst weit aufgerissenen Augen, während rundherum Menschen stöhnen, Kleinkinder weinen und deren Mütter sich mühen, sie zu beruhigen? Oder läßt man sie vielleicht gar nicht schlafen? Oder stürzen sich diese Unmenschen jeden Abend blindlings auf die weiblichen Geiseln und tun ihnen aufs Geratewohl Gewalt an? Damit ist es mit meiner wenn auch nur künstlich aufrechterhaltenen Ruhe schlagartig vorbei, desgleichen mit einer gewissen Müdigkeit, die man als erste Ansätze von Entspannung hätte interpretieren können. Ich bestelle noch ein Bier, da ich merke, daß ich noch nicht reif für den Heimweg bin.
      Doch wie es scheint, hat das nächtliche Athen die geheime Fähigkeit, mich zu beruhigen, wenn auch ein zweites Bier unerläßlich ist. Es gelingt mir, meine Ängste mit dem Gedanken zu überwinden, daß die beiden aller Wahrscheinlichkeit nach am Schlafen sind. Schließlich gibt es in jedem Wettkampf, in jeder Schlacht oder in jeder

Weitere Kostenlose Bücher