Kostas Charitos 05 - Der Großaktionär
den Jungen! Sie können sich nicht vorstellen, wie leid mir das tut. Was für ein sinnloser Tod!«
In der Firma funktioniert die Aufgabenteilung tadellos, sage ich mir. Petrakis bringt die Trauer über den geschäftlichen, die Kourteli diejenige über den menschlichen Verlust zum Ausdruck.
»Stella, kannst du dich erinnern, wer Stelios für uns gefunden hat?« fragt Petrakis die Kourteli.
»Es war Star Models.«
»Können Sie uns die Adresse nennen?« fragt Vlassopoulos.
»Mit dieser Frage habe ich schon gerechnet und alles für Sie vorbereitet. Es handelt sich um eine Agentur, auf die wir sehr oft zurückgreifen.« Und sie reicht Vlassopoulos einen Zettel.
»Wie gut kannten Sie Stelios Ifantidis?« frage ich sie.
Sie zuckt mit den Schultern, als bringe sie die Frage in Verlegenheit. »Am besten erkläre ich Ihnen die übliche Vorgehensweise, damit Sie es richtig einschätzen können. Wir sehen uns die Probeaufnahmen an, und wenn wir das Model engagieren wollen, machen wir einen Vertrag mit ihm. Sobald der Dreh beendet ist, kommt das Model her, holt sein Honorar ab, und wir sehen es nicht wieder. Es gibt, wie Sie merken, keinen näheren Kontakt mit irgendeinem Model. Unser Grundsatz ist sogar, gar keinen Kotakt mit ihnen aufzubauen.« Sie hält kurz inne und fügt dann hinzU- »Mit Stelios allerdings habe ich mich ab und zu unterhalten-«
»Kennen Sie sich von früher?« frage ich, denn in solchen Fällen stellt sich des öfteren eine alte Bekanntschaft oder eine entfernte Verwandtschaft heraus.
»Nein, aber ich mochte ihn.« Als sie mein Erstaunen sieht, wie man jemanden mögen kann, den man gar nicht kennt, fügt sie erklärend hinzu: »Die meisten Models hampeln nur herum, Herr Kommissar. Sie wissen weder, wie man richtig steht, noch wie man geht, noch wie man sich bewegt. Es dauert Tage, bis man ihnen die Grundlagen beigebracht hat. Stelios war talentiert, klug und witzig. Als er bei den Probeaufnahmen war, rief uns der Regisseur an. >Da haben wir ja einen Goldfisch an der Angel<, meinte er. >Der hat eine Bombenausstrahlung.< Und tatsächlich waren sein Ausdruck, sein Lachen und vor allem seine Bewegungen völlig spontan. Was man von ihm verlangte, gelang gleich auf Anhieb.« Sie pausiert kurz und fügt hinzu: »Wer weiß, vielleicht stimmt es ja wirklich, daß ihnen die Selbstdarstellung im Blut liegt.«
»Wem liegt sie im Blut?«
»Den Homosexuellen. Stelios war homosexuell.« Sie blickt mir in die Augen, um meine Reaktion darin abzulesen.
»War er Schauspieler?« frage ich.
Sie lacht auf. »Nein, Herr Kommissar. Wir nehmen nie Schauspieler.«
»Wieso nicht?«
»Weil sie meinen, sie müßten sich als Künstler aufspielen«, mischt sich Petrakis ein. »Wonach wir suchen, ist der persönliche Stil, nicht Schauspielerei.«
»Wissen Sie vielleicht, was er außer den Model-Auftrag beruflich machte?«
»Ich glaube, er studierte irgendwo, aber ich müßte lügen«, ergreift wieder die Kourteli das Wort. »Vielleicht weiß die Lasaratou von den Star Models mehr.«
»Nun, dann ist ja alles gesagt«, meint Petrakis ungeduldig und erhebt sich.
Es juckt mich, ihn noch eine halbe Stunde mit abwegigen Fragen zu traktieren, aber ich bin nicht in der Stimmung, ihn Spießruten laufen zu lassen. Die beiden haben uns ohnehin nicht mehr zu sagen. Petrakis verabschiedet uns mit einem kurzen Händedruck, und die Kourteli begleitet uns zum Ausgang.
Draußen blicke ich auf die Uhr. Es ist bereits halb acht. Wenn ich die Lasaratou bei den Star Models besuchen will, verpasse ich die Acht-Uhr-Nachrichten und werde bis zur Nachrichtensendung um Mitternacht wahnsinnig vor Ungewißheit. Daher beschließe ich, der Angst um meine Tochter und meinen zukünftigen Schwiegersohn nachzugeben, und hebe mir die Lasaratou für den nächsten Tag auf. Vlassopoulos ordne ich an, er möge mit der Polizeiwache in Exarchia Kontakt aufnehmen, damit sie einen Streifenwagen zur Wohnung des Ermordeten schicken und sie versiegeln.
Vlassopoulos kehrt an die Dienststelle zurück, und ich nehme ein Taxi, um in die Aristokleous-Straße zu fahren. Dem Taxifahrer sage ich, er solle besser über die Patission- und die Stadiou-Straße fahren statt über das Panathinaikos-Stadion und die amerikanische Botschaft. Daraufhin wirft er mir einen schrägen Blick zu und meint kurz angebunden: »Willst du mir das Taxifahren beibringen?«
»Ich will dir gar nichts
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